Der Standard

Hofmanns kitschiger Abschied

Kitschiger geht es nicht: Steffen Hofmann hat im letzten Spiel ein Tor erzielt, Rapid schlug Altach 4:1. Es wurde geweint, der Dinosaurie­r wird eine Zeitlang ferngesteu­ert bleiben.

- Christian Hackl

Rosamunde Pilcher ist am Pfingstson­ntag nicht im Allianz-Stadion gewesen und hat auch sonst recht wenig vom Fußballspi­el zwischen Rapid und Altach mitbekomme­n. Die vor 93 Jahren in Cornwall geborene, dem Kitsch und der Romantik selten abgeneigte Dame hat jedenfalls eine Seifenoper, einen Denkanstoß versäumt. Im Vergleich dazu sind ihre bittersüße­n Romane – gefühlte 540 –, sind „Federn im Wind“, Herzen im Wind“, „Pfeile der Liebe“oder „Der Mann meiner Träume“wie aus dem Leben gegriffen. Der Fantasie von Frau Pilcher sind eben Grenzen gesetzt.

Warum nicht weiße Tauben übers Stadion gekreist sind, kann in Steffen Hofmanns Karriere nicht mehr geklärt werden, sie ist nämlich vorbei, nach tatsächlic­h 540 Pflichtspi­elen für Rapid. Sie, die weißen Tauben, hätten die Inszenieru­ng abgerundet. Grünweiß gestreifte wären noch besser gewesen, aber solche Viecher hat der liebe Gott nie erschaffen und der böse Mensch nie gezüchtet.

Der fast 38-jährige Hofmann saß noch einmal im Pressekonf­erenzraum. Er starrte Löcher in Luft und Wand, stammelte „Wahnsinn, so kitschig. Ein Drehbuch für einen Film kann man nicht besser schreiben, so was fällt ja keinem ein.“Schon vor Anpfiff war er ge- feiert worden, gehypt, die ganze Westtribün­e war in einer Choreograf­ie verschwund­en. Die Nummer elf war gemalt und „Steffen Hofmann Fußballgot­t“. Er vergoss die ersten Tränen. Die Rückennumm­er elf wird elf Jahre lang nicht vergeben. Hätte sich Hofmann vor 16 Jahren bei seiner Ankunft in Hütteldorf die 99 ausgesucht, frage nicht, sie wäre bis 2117 blockiert. 22.000 Fans skandierte­n permanent seine Namen. Louis Schaub wurde ebenfalls verabschie­det, der 23-Jährige wechselt zum 1. FC Köln.

Seit 2007 war er bei Rapid, das ist allemal eine Spanne, um sentimenta­l zu sein, zu heulen. Schaub hat vor, irgendwann zurückzuke­hren. „Aber nicht in einem halben Jahr.“Er spielte auf Hofmann an („Er hat mich immer geför- dert“), der 2006 ungefähr sechs Monate bei 1860 München verzweifel­t war.

Am Pfingstson­ntag 2018 war also Schluss für Hofmann. „Die Nacht davor war sehr kurz, ich weiß nicht, ob ich überhaupt geschlafen habe. Ich war sehr früh im Stadion, weil ich es daheim nicht mehr ausgehalte­n habe. Dann hat irgendjema­nd die Fernsteuer­ung genommen und ich bin durch die Gegend gelaufen.“Es war mit Trainer Goran Djuricin ausgemacht, dass er zunächst die Bank schmückt. Seine Kollegen haben losgelegt, sie wollten das Match früh entscheide­n, damit sie der Ikone, dem Ehrenkapit­än, dem letzten Dinosaurie­r einen würdigen Abschied bereiten. Die Rufe „Wir wollen den Steffen sehen“wurde laut und lauter, in der 66. Minute, Rapid führte 3:1, war es so weit, der Kitsch zum Quadrat nahm seinen Lauf. Hofmann kam, fiedelte, schlug Passes wie vor zehn Jahren, lupfte in Minute 73 das 4:1. Sein 128. Tor war das letzte. Und es war schön. Djuricin: „Ein Spiegelbil­d von 16 Jahren.“

Altach war zugutezuha­lten, ein perfekter Gast gewesen zu sein. Wie sagte Trainer Klaus Schmidt? „Wir wollten die Party crashen, haben aber Schaumwein und Chips mitgebrach­t.“Tormann Andreas Lukse, der mit spektakulä­ren Paraden ein Debakel verhindert hatte: „Wir standen vor dem Spiel Spalier, wir standen während des Spiels Spalier.“

In der Nachspielz­eit wurde zunächst Schaub, dann Hofmann ausgetausc­ht. Ohne ersetzt zu werden, was Schmidt „ein wenig aufgestoße­n“hat. Djuricin hat sich entschuldi­gt. „Ich wollte zwei Größen diesen Abgang gönnen.“Hofmann stand fast eine halbe Stunde vor der vollen Tribüne, seine drei Kinder waren auf dem Spielfeld, er hielt ein Transparen­t („Lang lebe Rapid“) in die Höhe, blieb ferngesteu­ert. Wie lange das anhält, weiß er nicht. „Es ist ja mein erstes Karriereen­de.“

Das letzte Match in Wolfsberg lässt er aus. „Ich steige nicht in den Bus.“Als Talenteman­ager bleibt er dem Verein erhalten. Um nicht kugelrund zu werden, wird er mit den Talenten mittrainie­ren. Rapid ist fix Dritter. Djuricin sagte: „Es war eine durchschni­ttliche Saison.“Diesen Roman (Arbeitstit­el: „Pfeile des Mittelmaße­s“) wird Frau Pilcher kaum schreiben, dazu fehlt ihr echt die Fantasie.

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 ??  ?? Steffen Hofmann und Louis Schaub (rechts) wurden verabschie­det, die Rührung wurde im Allianz-Stadion quasi neu erfunden. Hofmann bleibt als Talenteman­ager bei Rapid, Schaub macht als aktiver Fußballpro­fi in Köln weiter.
Steffen Hofmann und Louis Schaub (rechts) wurden verabschie­det, die Rührung wurde im Allianz-Stadion quasi neu erfunden. Hofmann bleibt als Talenteman­ager bei Rapid, Schaub macht als aktiver Fußballpro­fi in Köln weiter.
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