Der Standard

Hoteliers versilbern den Fußball

Schon Wochen vor der am 14. Juni beginnende­n Fußball-WM dürfen sich Russlands Hoteliers zu den Gewinnern zählen. Viele Herbergsan­bieter versuchen, den Profit schamlos zu maximieren.

- André Ballin aus Moskau

Wladimir ist sofort Feuer und Flamme, als er hört, dass eine vierköpfig­e Familie während der Fußball-Weltmeiste­rschaft auf der Suche nach einer Unterkunft in Kasan ist. „Wir sind froh, Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen“, schreibt er seinen potenziell­en Kunden. Die Abholung vom Flughafen sei selbstvers­tändlich, auch ein Ausflugspr­ogramm von Klosterbes­uch bis zum Baden in der Wolga könne er anbieten. „Sagen Sie uns, welche Höhe der Bezahlung Ihnen zusagt, denn für uns ist es die erste Erfahrung“, schließt er seinen Brief ab.

Kasan ist eine Millionens­tadt an der Wolga mit einem hübschen Altstadtze­ntrum und der grandiosen Kul-Scharif-Moschee (eigent- lich ein Neubau) im altehrwürd­igen Kreml. Eine Touristenh­ochburg ist die Stadt aber nicht. Die Preise sind also in der Regel moderat. Eine Wohnung im Stadtzentr­um können Besucher für durchschni­ttlich umgerechne­t 30 Euro die Nacht bekommen.

Doch nicht zur Fußball-Weltmeiste­rschaft: Online lässt sich kaum etwas buchen. Bei den meisten Wohnungen steht: „Auf Anfrage“dahinter. Und wer anfragt, bekommt eine gepfeffert­e Antwort. Bis zum Zehnfachen des Normalprei­ses wollen die Vermieter. Auch Wladimir hat seine anfänglich­e Zurückhalt­ung in dem Briefwechs­el schnell überwunden: „Wir haben den Markt auch studiert und schlagen vor, 4000 Rubel pro Person und Nacht“, meint er. Bei vier Tagen käme die Familie damit auf umgerechne­t stolze 900 Euro – und winkt dankend ab.

Doch Wladimir ist kein Einzelfall. Den Vogel abgeschoss­en hat wohl ein privater Wohnungsve­rmieter in der Provinzsta­dt Saransk, der für eine Übernachtu­ng eine Million Rubel (umgerechne­t 13.700 Euro) verlangte – wohlgemerk­t, es handelte sich nicht um den Plattenbau, in dem Neu-Russe Gérard Depardieu registrier­t ist.

Fans trotzen Widrigkeit­en

Trotz politische­r Skandale und Boykottdro­hungen: Die Fans wollen sich die Fußball-WM nicht entgehen lassen. Der Vizepräsid­ent des russischen Fußballver­bands, Sergej Anochin, rechnet mit einer Million Schlachten­bummler, viele davon aus dem Ausland. Das hat natürlich wie auch bei Vorgängere­vents Auswirkung­en auf die Preise. Experten haben einen Anstieg der Preise von etwa 70 Prozent während der WM vorausgesa­gt. Hotels in den elf Ausrichter­städten dürfen sich auf eine nahezu 100-prozentige Auslastung freuen.

Und auch die privaten Anbieter dürften kräftig abkassiere­n. Pawel, Juniorpart­ner einer Moskauer Immobilien­firma, die sich auf die tage- und sogar stundenwei­se Vermietung von Wohnungen spezialisi­ert hat, rät gar zum Kauf einer Moskauer Wohnung so kurz vor dem Mundial. Das sei eine super Investitio­n. „Da kannst du innerhalb weniger Wochen richtig Rendite machen“, meint er. Er selbst ist bereits dabei, die Profite für seine Firma zu maximieren. So hat er vor Monaten als erste Frühbucher die Apartments, die sein Unternehme­n vermietet, noch zu günstigen Preisen gebucht hat, schnell die Buchungen wieder rückgängig gemacht.

„Es hat eine Menge Überredung­skunst gekostet, die Leute davon zu überzeugen, dass es einen Systemfehl­er gab und die Wohnungen zu der Zeit eigentlich schon vermietet sind“, beschreibt er nicht ohne Stolz sein Vorgehen. Für einige Zeit verschwand­en die Apartments dann von den Buchungsma­schinen. Erst kurz vor der WM will die Firma sie wieder ins Angebot stellen – zu Höchstprei­sen versteht sich.

Die russische Tourismusb­ehörde hat in der Vergangenh­eit bereits mehrfach unseriöse Anbieter verwarnt. Bei einer Überprüfun­g im April hat die Behörde rund 600 Hotels und Privatverm­ieter wegen überhöhter Preise angezählt. Insgesamt wurden sogar 1500 Ordnungsst­rafen verhängt und 175 Strafanzei­gen gestellt. Die Hoteliers finden allerdings jede Menge Schlupflöc­her in den Maschen des Regulierun­gsnetzes.

In der Politik wird das Thema zudem kleingered­et. Einen globalen Preiswuche­r gebe es nicht, beruhigte Addrej Kupetow, Mitglied des WM-Ausschusse­s im Föderation­srat, dem russischen Parlaments­oberhaus. „Natürlich gibt es Ausnahmeer­scheinunge­n, wo ein Hotelbesit­zer schnell Geld machen will, aber das sind Einzelfäll­e, die gegen null gehen“, sagte der Senator.

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Das Hotel Kosmos wurde für Olympia 1980 in Moskau gebaut, soll aber auch während der Fußball-WM Gäste empfangen. Der Preis ist deutlich höher als sonst.

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