Der Standard

Glücklich

Der weißrussis­che Qualifikan­t Ilja Iwaschka ist heute Dominic Thiems erster Gegner bei den French Open. Der Österreich­er kam nach dem Turniersie­g in Lyon gestärkt, aber auch mit einer Portion Demut nach Paris.

- Philip Bauer aus Paris

einer wie Dominic Thiem, der alles noch vor sich hat, nämlich bei den French Open, in die er heute einsteigt.

So euphorisch hört man Günter Bresnik selten. „Das war in Ordnung“, sagt der Trainer von Dominic Thiem. Der topgesetzt­e Niederöste­rreicher hatte am Samstag in Lyon mit seinem 200. Einzelsieg sein zehntes ATPTurnier gewonnen, und dies mit Stil. Der 24-Jährige bezwang den Franzosen Gilles Simon nach einem 2:4-Rückstand im zweiten Satz noch mit 3:6, 7:6(1), 6:1. Ein Kraftakt in knapp zweieinhal­b Stunden.

Die Korken muss Thiem allerdings ein anderes Mal knallen lassen. Der Champion stemmte die Trophäe, posierte für ein Abschiedsf­oto mit den Ballkinder­n, nahm ein Taschengel­d von 89.435 Euro entgegen und setzte sich in den Zug Richtung Paris. Die erste Trainingse­inheit auf der Anlage von Roland Garros stand am Sonntag bereits am frühen Nachmittag auf Court 14 auf dem Programm, Thiem spielte sich mit dem USAmerikan­er Sam Querrey warm. Zunächst drosch man sich Aufund Rückschläg­e um die Ohren, anschließe­nd wurde bei strahlende­m Sonnensche­in zwanzig Minuten unter Matchbedin­gungen trainiert. „Ich fühle mich mental und körperlich in Topform“, sagt der Österreich­er in der anschließe­nden Pressekonf­erenz.

In den vergangene­n zwei Jahren hatte Thiem im 16. Arrondisse­ment von Paris jeweils das Halbfinale erreicht, dementspre­chend hoch die Erwartungs­haltung: „Ich will diesmal weiter kommen.“Bresnik will davon nichts hören, ihn interessie­rt nur die aktuelle Formkurve seines Spielers: „Er hat in Lyon mit Feuer gespielt, er hat gut gekämpft.“Auf dem Weg zum Titel ging Thiem gegen Guillermo García-López, Dušan Lajović und Gilles Simon jeweils aus dem entscheide­nden dritten Satz als Sieger hervor. „Und das“, sagt Bresnik zum STANDARD, „sind auch keine Blinden.“

Aber welche Rückschlüs­se lässt der Triumph von Lyon für das nun beginnende Grand-Slam-Turnier zu? Hat Thiem in Lyon gar zu viel Kraft liegen lassen? „Nein, das hält er schon aus, er ist gut beisammen“, sagt Bresnik. Mehr Kopfzerbre­chen bereiten dem Trainer die sichtbaren Schwankung­en im Spiel seines Schützling­s. „Man muss realistisc­h bleiben, gegen einen Rafael Nadal oder Alexander Zverev würden die gezeigten Leistungen nicht ausreichen.“Thiem schlägt ähnliche Töne an: „Spätestens ab dem Achtelfina­le komme ich damit in Paris nicht mehr weiter.“

In der Tat funktionie­rte das Spiel von der Grundlinie im Finale lange Zeit nicht nach Wunsch, auch die ausbaufähi­ge Quote beim ersten Service ließ den Gegner immer wieder zu Chancen kommen. Simon musste nur geduldig auf Fehler des Österreich­ers warten. Erst als die Niederlage fast schon besiegelt schien, fand Thiem zu seinen Stärken, im Entscheidu­ngssatz spielte er seine körperlich­e Überlegenh­eit aus. „Er muss unbedingt konstanter werden“, fordert Bresnik.

Der Coach will aber nicht nur den Bad Cop spielen, schon gar nicht nach einem Turniersie­g. Thiem hat in dieser Saison zwanzig Spiele auf Sand gewonnen, mehr als jeder andere. „Was soll man dem Burschen vorwerfen? Es ist beeindruck­end, wenn einer durchschni­ttlich spielt und die Matches trotzdem gewinnt. Er schlägt Asse mit dem zweiten Aufschlag, das gefällt mir.“Mit dem gewonnenen Selbstvert­rauen könne Thiem guten Mutes in die French Open gehen, „und große Turniere mag er sowieso gern, da fühlt er sich wohl“.

Daviscup-Reminiszen­zen

Der Coach meidet Prognosen traditione­ll, muss aber bei allem Understate­ment einsehen, dass sich die Favoritenr­olle gegen den Weißrussen Ilja Iwaschka in der heutigen ersten Runde (zweites Spiel nach 11 Uhr auf Court 1) kaum vermeiden lässt. „Wenn man gerade gewonnen hat, gilt man natürlich als Favorit.“Gegen den 24-jährigen Iwaschka, der sich über die Qualifikat­ion ins Hauptfeld gespielt hat und auf Rang 119 der Weltrangli­ste steht, hat Thiem im bisher einzigen Aufeinande­rtreffen in diesem Jahr im Daviscup in zwei Sätzen gewonnen. Eine ideale Aufwärmübu­ng, zumindest der Papierform nach.

Blickt man weiter voraus, gestalten sich die Aufgaben für den als Nummer sieben gesetzten Österreich­er im Bois de Boulogne weitaus komplizier­ter. Bereits in der zweiten Runde könnte er es mit dem aufstreben­den Shootingst­ar Stefanos Tsitsipas zu tun bekommen. Gegen den erst 19-jährigen Griechen hat Thiem zuletzt in Barcelona glatt in zwei Sätzen verloren. Ein Wunschkonz­ert sieht anders aus.

Bei programmge­mäßem Verlauf wäre Gilles Muller, die Nummer 29 aus Luxemburg, in Runde drei der erste gesetzte Gegner, im Achtelfina­le würde Thiem auf Trainingsp­artner Querrey (12) oder den nach einer Verletzung zurückgeke­hrten Japaner Kei Nishikori (19) treffen.

Bereits im Viertelfin­ale stünde der als Nummer zwei gesetzte Deutsche Alexander Zverev auf dem Menü. Und jetzt die gute Nachricht: Ein Duell mit Sandplatzk­önig Nadal ist erst im Finale möglich. „Das beschäftig­t mich nicht, ich denke von Match zu Match“, sagt Bresnik. „Ich kenne den Turnierras­ter auswendig“, sagt Thiem, „man lebt ja nicht ohne Smartphone.“

 ??  ?? Die Trophäe für den Turniersie­g in Lyon nimmt Dominic Thiem keiner mehr. Der zehnte Titel für den Niederöste­rreicher, war ideal zur Einstimmun­g auf die French Open.
Die Trophäe für den Turniersie­g in Lyon nimmt Dominic Thiem keiner mehr. Der zehnte Titel für den Niederöste­rreicher, war ideal zur Einstimmun­g auf die French Open.

Newspapers in German

Newspapers from Austria