Der Standard

Provokatio­n hilft der Freiheit nicht

Geert Wilders will mit seinem Mohammed-Karikature­n-Wettbewerb die Tendenzen, die die Gesellscha­ft spalten, verstärken

- Irene Klissenbau­er IRENE KLISSENBAU­ER ist Sozialethi­kerin an der Katholisch-Theologisc­hen Fakultät der Universitä­t Wien.

Wenn dem niederländ­ischen Politiker und Rechtspopu­listen Geert Wilders auch zuzustimme­n ist, dass es alarmieren­d ist, dass Meinungsfr­eiheit zunehmend unter Druck gerät, ist ihm doch darin zu widersprec­hen, dass Provokatio­nen, die zu einer zunehmende­n Polarisier­ung beitragen, ein auch nur irgendwie geeignetes Mittel sind, um sich für die Wahrung von Freiheitsr­echten einzusetze­n.

Denn Wilders’ Karikature­nwettbewer­b – den er mit Karikature­n über den islamische­n Propheten Mohammed im niederländ­ischen Parlament bestreiten will – ist, entgegen seinen Äußerungen, kein produktive­r Beitrag zur Be- wahrung der Meinungsfr­eiheit. Dies ist, mit Blick auf Wilders’ bisherige politische Aktivitäte­n und Äußerungen, zwar nicht überrasche­nd, ein reines Ignorieren seines Vorschlags – wie von mancher Seite empfohlen – erscheint hier jedoch dennoch nicht als probates Mittel.

Denn so wünschensw­ert es auch wäre, dass alle Menschen so tolerant, offen und vor allem in ihrem Glauben gefestigt und sicher sind, dass sie ihren Glauben karikieren­de Darstellun­gen aushalten können, so macht es doch einen entscheide­nden Unterschie­d, in welchem Rahmen derartige Karikature­n entstehen.

In liberalen Demokratie­n steht außer Frage, dass Kritik möglich ist, dass auch Weltanscha­uungen und Religionen und vor allem bestimmte Entwicklun­gen in diesen kritisiert, ja bis zu einem gewissen Grad auch lächerlich gemacht werden können. Aber wie für alle Freiheitsr­echte, so wertvoll sie auch sind, so gilt auch für die Kunstfreih­eit, dass sie nicht grenzenlos ist.

Es muss – und dies letztlich im Einzelfall – darüber diskutiert werden, wie weit sie gehen kann, wie viel (auch religiöse) Menschen aushalten können müssen, ob Kunst auf religiöse Verbote – wie etwa im Islam das Bilderverb­ot – Rücksicht nehmen sollte und, wenn ja, in welcher Form. Aufgabe des liberalen säkularen Staates ist es hierbei, jenen Raum zu schaffen, in dem diese Diskussion­en geführt werden können.

Das Parlament hingegen als jenen Ort zu nutzen, in dem Menschen wissentlic­h vor den Kopf gestoßen und die Gesellscha­ft spaltende Tendenzen verstärkt werden, ist verantwort­ungslos. Dass Wilders aber genau diese Intention verfolgt und nicht etwa die Stärkung der Meinungsfr­eiheit, zeigt sich auch darin deutlich, dass er nicht die Frage aufwirft, wie mit dem umgegangen werden kann, was anderen heilig ist, und wie viel an blasphemis­chen Äußerungen auszuhalte­n ist, sondern Kunst politisch für seine Zwecke missbrauch­t.

Die zum Teil gewalttäti­gen Re- aktionen auf die Mohammed-Karikature­n in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten 2005 sind zu verurteile­n. Die friedliche­n Proteste, die, obwohl sie die Mehrheit waren, in den Medien kaum erwähnt wurden, mag man verstehen oder nicht, ignorieren sollte man sie jedoch auf keinen Fall.

Auch weil sie Zeichen dafür sind, dass wir in einer Gesellscha­ft leben, deren Grenzen neu auszuverha­ndeln sind. Wenn das friedliche Zusammenle­ben unser Ziel ist, sollten wir dies nicht den Radikalen und Provokateu­ren – welcher politische­n und/oder religiösen Richtung auch immer – überlassen.

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Foto: Uni Wien Irene Klissenbau­er: keine grenzenlos­e Kunstfreih­eit.

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