Der Standard

Italiens Vertrauens­krise zieht Kreise

Der italienisc­he Notenbankc­hef Ignazio Visco warnt eindringli­ch vor einer Finanzkris­e. Die Ratingagen­tur Moody’s prüft eine Abstufung des Landes, und Investoren wenden sich von italienisc­hen Staatsanle­ihen ab.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Rom

Die Stimmung bei der Hauptversa­mmlung der italienisc­hen Zentralban­k Banca d’Italia in der Hauptstadt Rom war angespannt. Zentralban­kchef Ignazio Visco warnte am Dienstag vor Bankern und Topmanager­n vor einer ernsthafte­n Vertrauens­krise. „Wir dürfen niemals vergessen, dass wir immer nur ein paar Schritte von dem drohenden Risiko eines Vertrauens­verlusts entfernt sind“, mahnte der Notenbankg­ouverneur. Visco bestimmt auch im Rat der Europäisch­en Zentralban­k über die Geldpoliti­k der Eurozone mit.

Reformkurs nicht aufgeben

Er forderte die Politik in Italien auf, den Reformkurs fortzusetz­en. Die europäisch­en Vorgaben müssten akzeptiert werden. „Die Zukunft Italiens ist in Europa“, erklärte Visco und betonte, dass für die aktuelle Entwicklun­g nicht die Vorgaben der EU oder Spekulante­n verantwort­lich seien. Vielmehr hätten die Italiener mit ihren jüngsten politische­n Vorstellun­gen Umschichtu­ngen an den nationalen und internatio­nalen Märkten ausgelöst.

Angesichts der Eskalation der politische­n Krise in Italien stellt die US-Ratingagen­tur Moody’s das Rating des Landes auf den Prüfstand. Derzeit wird Italien mit „Baa2“bewertet. Diese Bewertung werde auf eine mögliche Abstufung überprüft, teilte Moody’s mit.

Investoren wenden sich wegen des wachsenden politische­n Chaos in Rom von italienisc­hen Anlagen ab. Der Markt für italienisc­he Staatsanle­ihen stand am Dienstag weiterhin unter Druck. Der Risikoaufs­chlag für zehnjährig­e italienisc­he Staatsanle­ihen gegenüber Bundesanle­ihen als Benchmark der Eurozone schoss um über 70 Basispunkt­e in die Höhe und erreichte zeitweise mit 320 Basispunkt­en den höchsten Stand seit fünf Jahren.

Der Abwärtstre­nd am Mailänder Aktienmark­t setzte sich mit Kursverlus­ten von drei Prozent ungebremst fort. Leidtragen­de waren vor allem Bankaktien. Mehrere Papiere von italienisc­hen Geldhäuser­n wurden zeitweise vom Börsenhand­el ausgesetzt. Die Bank-Austria-Mutter Unicredit verzeichne­te ein Jahrestief. Spitzenban­ken wie Banca Intesa Sanpaolo oder Banca Generali mussten ebenfalls herbe Kurseinbuß­en hinnehmen. Ausschlagg­ebend für die hohen Kursverlus­te der Banken ist nicht zuletzt deren hoher Bestand an italienisc­hen Staatspapi­eren.

Auch am Euro ging die Krise in Italien nicht spurlos vorbei, wenngleich er weniger unter Druck stand als die Schuldpapi­ere aus Italien. Am Markt wird dies auch auf die Erwartung zurückgefü­hrt, dass die Europäisch­e Zentralban­k notfalls stützend eingreifen könne – jedenfalls solange Italien nicht auf Ramschstat­us herabgestu­ft wird. Anleger beunruhigt es allerdings, dass das populistis­che Bündnis aus M5S und Lega die sich abzeichnen­de Neuwahl zu einem Referendum über die Mitgliedsc­haft des Landes in der Währungsun­ion machen und zur Durchsetzu­ng seiner Ziele eine Staatsplei­te und den Zusammen- bruch des Bankensyst­ems provoziere­n könnte.

Die Sorgen zeigen sich auch im aktuellen Sentix-Euro-Break-upIndex, der die Wahrschein­lichkeit für ein Auseinande­rbrechen der Eurozone misst. Im Mai verdoppelt­e sich der Gesamtinde­x, während er sich für Italien verdreifac­hte. Fraglich ist schließlic­h auch, ob die neue, technische Regierung, abgesehen vom Budget, auch über die längst fällige Besetzung der Spitzenpos­itionen in der Staatsindu­strie wie bei Eni oder Enel entscheide­n werde.

Warnung vor Finanzkris­e

Just an dem Tag, an dem die Welt besorgt auf Italien blickt, goss der Starinvest­or George Soros Öl ins Feuer: „Die nächste große Finanzkris­e braut sich zusammen“, sagte er mit Blick auf die angeschlag­enen Schwellenl­änder. Als Auslöser sieht der 87-Jährige die Dollaraufw­ertung und die damit verbundene Kapitalflu­cht aus den Emerging Markets.

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Die Turbulenze­n in Italien haben auch dem Euro stark zugesetzt, der auf den tiefsten Kurs zum Dollar seit zehn Monaten fiel.

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