Fake-Mord in Kiew lässt viele Fragen offen
Inszenierter Journalistenmord verschärft Konflikt zwischen Russland und Ukraine
Moskau/Kiew – Auferstanden von den Toten – lang lebe Arkadi Babtschenko! Die Geschichte von der vermeintlichen Ermordung des bekannten russischen Kriegsreporters, der ersten Meldungen zufolge in Kiew erschossen wurde, um später auf einer Pressekonferenz mit dem Chef des ukrainischen Geheimdiensts, Witali Grizak, alles als Spezialeinsatz darzustellen, ähnelt einer Farce und dürfte das Klima zwischen Moskau und Kiew verschärfen.
Der inszenierte Mord an dem Journalisten hat gewaltige öffentliche Resonanz ausgelöst: Bereits kurz nach Bekanntwerden des angeblichen Todes beharkten sich Moskau und Kiew heftig wegen der Schuldfrage. Ukrainische Politiker zeigten sofort mit dem Finger auf Moskau, während das russische Außenministerium „blutige Verbrechen und Straflosigkeit“als „Routine für das Kiewer Regime“bezeichnete.
Babtschenkos „Wiederauferstehung“hat die Gefechtslage kaum geändert: Nach Darstellung Grizaks gab es zwar keinen Mord, aber einen Mordversuch, den seine Behörde, der SBU, vereitelt ha- ben will. Dahinter soll Moskau stecken. Der angeworbene Killer sei selbst vor etwa zwei Monaten auf den SBU zugekommen, um von dem Auftrag zu berichten. Die Inszenierung des Mordes sei nötig gewesen, um an die Hintermänner zu kommen, heißt es.
Tatsächlich werden solche Ermittlungsexperimente von Zeit zu Zeit angewandt, um den Nachweis eines Auftragsmordes zu erbringen. Dem Auftraggeber wird dann entweder ein gefälschtes Foto oder ein anderer „Todesbeweis“geliefert, um ihn bei der Bezahlung festzunehmen. Aus technischer Sicht ist der Fake auch gelungen. An den Tod Babtschenkos glaubten alle, einschließlich seiner eigenen Ehefrau, die ihn „blutend“im Korridor fand und den Notarzt rief.
Beweise waren schon da
Doch ob im konkreten Fall so eine Schauspieleinlage nötig war – zumal unter Missbrauch der internationalen Medien –, ist fraglich. Immerhin heißt es nun, dass der Killer sich schon bei der Anzahlung, also lange vor der Tat, verkabeln ließ. Beweise gegen den Mittelsmann waren also längst vorhanden. Musste man warten, bis dieser nun seinen Hintermänner Bescheid gab, oder hätte nicht die Auswertung früherer Telefongespräche und -kontakte gereicht, um die Beweiskette weiterzuspinnen?
Das Täuschungsmanöver hatte zudem einen massiven Nebeneffekt: Die Glaubwürdigkeit der ukrainischen Behörden, die schon in der Vergangenheit das eine oder andere Mal durch eine eher selektive Wahrheitsfindung aufgefallen waren, hat erneut massiven Schaden genommen.
Die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa spottete daher: „Das Spektakel ist gelungen. Alle sind schockiert, doch umsonst.“Sie bezeichnete die Aktion als „antirussische Hysterie“mit „Propagandaffekt“.
Ganz von der Hand weisen lässt sich der Verdacht nicht. Auch Rubina Möhring, die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen in Österreich, kritisierte den „fahrlässigen Umgang mit der Wahrheit“als „geschmackloses Spiel mit der Glaubwürdigkeit der Medien“. Die Wiederbelebung des Vertrauens ist nach solch einer Aktion jedenfalls schwerer als die Wiederauferstehung Babtschenkos.