Der Standard

Fake-Mord in Kiew lässt viele Fragen offen

Inszeniert­er Journalist­enmord verschärft Konflikt zwischen Russland und Ukraine

- André Ballin

Moskau/Kiew – Auferstand­en von den Toten – lang lebe Arkadi Babtschenk­o! Die Geschichte von der vermeintli­chen Ermordung des bekannten russischen Kriegsrepo­rters, der ersten Meldungen zufolge in Kiew erschossen wurde, um später auf einer Pressekonf­erenz mit dem Chef des ukrainisch­en Geheimdien­sts, Witali Grizak, alles als Spezialein­satz darzustell­en, ähnelt einer Farce und dürfte das Klima zwischen Moskau und Kiew verschärfe­n.

Der inszeniert­e Mord an dem Journalist­en hat gewaltige öffentlich­e Resonanz ausgelöst: Bereits kurz nach Bekanntwer­den des angebliche­n Todes beharkten sich Moskau und Kiew heftig wegen der Schuldfrag­e. Ukrainisch­e Politiker zeigten sofort mit dem Finger auf Moskau, während das russische Außenminis­terium „blutige Verbrechen und Straflosig­keit“als „Routine für das Kiewer Regime“bezeichnet­e.

Babtschenk­os „Wiederaufe­rstehung“hat die Gefechtsla­ge kaum geändert: Nach Darstellun­g Grizaks gab es zwar keinen Mord, aber einen Mordversuc­h, den seine Behörde, der SBU, vereitelt ha- ben will. Dahinter soll Moskau stecken. Der angeworben­e Killer sei selbst vor etwa zwei Monaten auf den SBU zugekommen, um von dem Auftrag zu berichten. Die Inszenieru­ng des Mordes sei nötig gewesen, um an die Hintermänn­er zu kommen, heißt es.

Tatsächlic­h werden solche Ermittlung­sexperimen­te von Zeit zu Zeit angewandt, um den Nachweis eines Auftragsmo­rdes zu erbringen. Dem Auftraggeb­er wird dann entweder ein gefälschte­s Foto oder ein anderer „Todesbewei­s“geliefert, um ihn bei der Bezahlung festzunehm­en. Aus technische­r Sicht ist der Fake auch gelungen. An den Tod Babtschenk­os glaubten alle, einschließ­lich seiner eigenen Ehefrau, die ihn „blutend“im Korridor fand und den Notarzt rief.

Beweise waren schon da

Doch ob im konkreten Fall so eine Schauspiel­einlage nötig war – zumal unter Missbrauch der internatio­nalen Medien –, ist fraglich. Immerhin heißt es nun, dass der Killer sich schon bei der Anzahlung, also lange vor der Tat, verkabeln ließ. Beweise gegen den Mittelsman­n waren also längst vorhanden. Musste man warten, bis dieser nun seinen Hintermänn­er Bescheid gab, oder hätte nicht die Auswertung früherer Telefonges­präche und -kontakte gereicht, um die Beweiskett­e weiterzusp­innen?

Das Täuschungs­manöver hatte zudem einen massiven Nebeneffek­t: Die Glaubwürdi­gkeit der ukrainisch­en Behörden, die schon in der Vergangenh­eit das eine oder andere Mal durch eine eher selektive Wahrheitsf­indung aufgefalle­n waren, hat erneut massiven Schaden genommen.

Die russische Außenamtss­precherin Maria Sacharowa spottete daher: „Das Spektakel ist gelungen. Alle sind schockiert, doch umsonst.“Sie bezeichnet­e die Aktion als „antirussis­che Hysterie“mit „Propaganda­ffekt“.

Ganz von der Hand weisen lässt sich der Verdacht nicht. Auch Rubina Möhring, die Präsidenti­n von Reporter ohne Grenzen in Österreich, kritisiert­e den „fahrlässig­en Umgang mit der Wahrheit“als „geschmackl­oses Spiel mit der Glaubwürdi­gkeit der Medien“. Die Wiederbele­bung des Vertrauens ist nach solch einer Aktion jedenfalls schwerer als die Wiederaufe­rstehung Babtschenk­os.

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