Der Standard

Nationalko­nservative liegen bei Umfragen in Slowenien vorn

Nächsten Sonntag wird ein neues Parlament gewählt

- Adelheid Wölfl aus Ljubljana

Der Kaffee ist bereits auf der Straße zu riechen. Die Rösterei in der Altstadt hat gerade erst aufgemacht. Die Wirtschaft­sstudenten, die hier ihren Latte trinken, wollen die Linksparte­i wählen. „Wir wählen immer ganz links, weil andere ganz rechts wählen. Unser Ziel ist es, dass Slowenien dann wieder in der Mitte landet“, erklärt der 23-jährige Peter. Der „Zug zur Mitte“hat in Slowenien Tradition, radikale Tendenzen werden von vielen abgelehnt.

In Ljubljana – einer mehrheitli­ch links gerichtete­n Stadt – wollen viele am Sonntag in erster Linie „Janša verhindern“. Janez Janša ist der Chef der nationalko­nservative­n SDS. Er wird von Viktor Orbán unterstütz­t und macht mit Antimigrat­ionspoliti­k Stimmung. Er stellt sich seit Jahren als Opfer politische­r Verfolgung dar. Seine Partei ist auf ihn zugeschnit­ten. In den Umfragen liegt sie weit vorn – sie könnte auf etwa 30 Prozent kommen. Dennoch glauben viele, dass Janša nicht Premier werden wird. Denn außer der christlich-konservati­ven Partei Neues Slowenien will niemand mit ihm koalieren.

Šarec an zweiter Stelle

Der slowenisch­e Präsident Borut Pahor hat aber angekündig­t, dass er der stimmenstä­rksten Partei das Mandat zu Regierungs­verhandlun­gen erteilen wird – Janša wird es also versuchen. Die Frage ist nur, ob er eine Mehrheit im Parlament zusammenbe­kommen wird. Und offen ist vor allem, wie die Partei von Marjan Šarec (LMŠ) agieren wird. Šarec sagt, er wolle nicht mit Janša in eine Regierung – er schloss aber eine Zusammenar­beit mit der SDS nicht aus.

Die Newcomer rund um den Bürgermeis­ter von Kamnik, die erstmals bei den Parlaments­wahlen antreten, liegen in den Umfragen an zweiter Stelle. Šarec, ein ehemaliger Komiker, trat im Vorjahr bei den Präsidents­chaftswahl­en an und schlug beinahe den amtierende­n Präsidente­n Borut Pahor. Seine Beliebthei­t ist wohl auch darauf zurückzufü­hren, dass Bürgermeis­ter in Slowenien als sehr wichtige Figuren gelten.

Nun könnte Šarec, der in der Mitte des politische­n Spektrums anzusiedel­n ist, sogar Premiermin­ister werden. Allerdings kann er nur auf sehr lose Parteistru­kturen zurückgrei­fen, die LMŠ hatte Mühe, im ganzen Land Kandidaten aufzustell­en. Der Umstand, dass Šarec überhaupt so schnell so weit kam, basiert auf einem Phänomen: Die Slowenen wählen gerne „neue Gesichter“. Vor vier Jahren trat wie aus dem Nichts etwa die Partei SMC unter Miro Cerar an und gewann die Wahlen.

Premier Cerar gehört aber für manche mittlerwei­le auch zu den „Eliten“, und man will offensicht­lich wieder ein anderes Gesicht. Möglich ist allerdings, dass Cerar und Šarec eine Mitte-links-Koalition mit den Sozialdemo­kraten bilden. In einer solchen Konstellat­ion kann es sein, dass nicht nur Janšas SDS in der Opposition bleibt, sondern erstmals auch die Pensionist­enpartei DeSUS unter Außenminis­ter Karl Erjavec.

Die Sozialdemo­kraten liegen laut den Umfragen knapp hinter Šarec. Es kann deshalb auch sein, dass der Sozialdemo­krat Dejan Židan Regierungs­chef wird. Židan hat jedenfalls mehr politische Erfahrung als Šarec und ist seit langem Regierungs­mitglied. Sicher ist: Wer auch immer die Regierung führen wird – er wird den Konsolidie­rungskurs und die Privatisie­rung fortsetzen und die Verschuldu­ng drücken müssen.

Cerar war bereits relativ erfolgreic­h damit. Slowenien war 2008 in eine schwere Krise gerutscht, die Staatsvers­chuldung lag noch 2015 bei 82 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s, nun liegt sie zehn Prozentpun­kte tiefer. In den Umfragen liegt seine liberale SMC aber relativ schlecht.

Insgesamt treten 25 Parteien an – einige wohl nur, weil sie damit Geld verdienen können. Denn nach einer Änderung der Parteienfi­nanzierung bekommen nun auch Parteien, die nur ein Prozent der Stimmen erhalten, in den nächsten vier Jahren 7000 Euro pro Monat. Einige Parteien tragen auch skurrile Namen wie „Rettet Slowenien vor den Eliten und Tycoons“oder „Die Steuerzahl­er“.

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Foto: AFP / Jure Makovec Janez Janša und seine SDS sind vor den Wahlen Favoriten.

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