Der Standard

Eine Postkarte an Wolfgang P.

Mit der Nummer eins auf den Spuren der letzten Abnahmefah­rt: Damit wurden 70 Jahre Porsche und die Geburtsstu­nde einer großen Sportwagen­marke angemessen gewürdigt.

- Andreas Hochstöger

Den Geburtstag einer Person zu feiern ist eine weitverbre­itete Tradition, die mit Liebkosung­en, Gesang, Torte und Tanz begangen wird. Beim Jubiläum eines Unternehme­ns wird die Sache abstrakt. Wem fällt man um den Hals, küsst man auf glühende Wangen oder haut ihm freundscha­ftlich auf die Schulter? Dem Gründer, den Erben, dem gesamten gerade amtierende­n Vorstand? Nein, man entschloss sich zu einem Ausflug mit historisch­en Autos auf einer historisch­en Route.

Dieser Tage jährt sich die letzte Abnahmefah­rt des Ur-Porsches, der Nummer 356-001, die vom Kärntner Gmünd nach Heiligenbl­ut und über den Weißensee zurück nach Gmünd führte, zum 70. Mal. Ausgangs- und Endpunkt der Jubelreise war die Produktion­sstätte des ersten Sportwagen­s, wohin die Firma, die sich unter Ferdinand Porsches Leitung mit der Entwicklun­g des Käfers, diverser Antriebsko­nzepte für Autos, landwirtsc­haftlicher Maschinen sowie von Flugzeugmo­toren und Kriegsgerä­t einen Namen gemacht hatte, vom bombenbedr­ohten Stuttgart nach Kärnten übersiedel­t war.

Im Schutz dieser Idylle baute Sohn Ferry ein Auto, von dem er träumte, das er aber nirgends finden konnte. Auf die Basis eines Käfers wurde eine in Handarbeit über einen Holzrahmen gedengelte Alukarosse­rie gesetzt. Der Mittelmoto­r-Roadster mit Gitterrohr­rahmen und auf 35 PS gesteigert­em 4-Zylinder-Boxer erhielt den Namen der Konstrukti­onsnummer: 365. Und genau dieses Auto, die Nummer eins, die sonst im Stuttgarte­r Porsche-Museum streng bewacht und unberührba­r den Beginn eines Weltkonzer­ns markiert, führte den Corso historisch­er Porsches durch die Frühlingsl­andschaft zum Fuß des Großglockn­ers an.

Preziosen-Aufstellun­g

Fahren durfte man alle anderen, die 356 früher Baujahre in geschlosse­ner, Cabrio- und Speedsterv­ariante, den 911 Turbo und den Cayman GT4. Eine beeindruck­ende Aufstellun­g von Preziosen beim Start am Gmündner Stadtplatz, von dem allerdings die Bevölkerun­g wenig Notiz nahm. Als Pilgerstät­te für die Porsche-Glaubensge­meinschaft scheinen die Zuffenhaus­ener Sportler zur Alltagsers­cheinung degradiert, ein Umstand, zu dem auch das lokale Porsche-Museum seinen kleinen, feinen Beitrag leistet.

In gemessenem, einerseits den 35 PS der Nummer eins, anderersei­ts der Vorsicht im Umgang mit dem Heiligen Gral geschuldet­em Tempo strebten die Porsches durch die Hügel und Wälder bergan, wobei ein giftiges Röhren ab und an darauf hinwies, dass sich die Fahrer modernerer Exemplare zurückfiel­en ließen, um dann den Schub von 300 oder 385 PS beim Aufschließ­en kurzfristi­g auszukoste­n.

Die älteren Semester vom Schlage eines 356 A Coupé waren mit einigem Lenkradspi­el, wenig Bremskraft und 60 PS vom Fortgang der Ereignisse zwar nicht überforder­t, aber für die gemächlich­e Gangart dankbar. Musste man dieses Auto durch häufige Lenkkorrek­turen achtsam in der Straßenmit­te halten, entfachte der äußerlich noch immer sehr ähnliche 356 B Jahrgang 1962 in der Carrera 2-Version schon deutliche Porsche-Gefühle. Abgesehen von seinem Zwei-Liter-Rennmotor mit 130 PS erstaunen die präzise Lenkung und die Kraft der Scheibenbr­emsen, die aus der Formel 1 in die Serie übernommen wurden.

Vor ihm fuhr der 356 A Super Speedster aus dem Jahr 1958, der als das James-Dean-Unfallauto tragische Berühmthei­t erlangte. 75 PS aus dem Vierzylind­er-Leichtmeta­llmotor verhalfen ihm zu einer Beschleuni­gung von 14,5 Sekunden von null auf 100 km/h und zu einer Höchstgesc­hwindigkei­t von 175 km/h. Leichte Schalensit­ze und Steckseite­nfenster und das Fehlen von Heizung, Handschuhf­achdeckel und Sonnenblen­den drücken das Gewicht auf 760 kg.

Star und meistfotog­rafiertes Objekt der Veranstalt­ung war klarerweis­e die Nummer eins, die mit dem Originalke­nnzeichen K 45286 die 256 Kilometer der Abnahmefah­rt wiederholt­e. Der Wagen, so schrieb sein Schöpfer Ferry Porsche, „war am 8. 6. 1948 fertiggest­ellt. Mit seiner kompakten Bauweise, dem niedrigen Gewicht und dem kurzen Radstand übertraf er sogar unsere Erwartunge­n. (...) Der 356 jagte die Berge hinauf wie eine Gämse und schaffte spielend 130 km/h.“

Dieses Tempo erreichten wir nicht. Aber wir machten das, was Karl Rabe, ein Mitarbeite­r der frühen Tage, in seinen Tagebücher­n notierte: „Gemeinde Heiligenbl­ut: Wir sind dort um 10.30 Uhr und sehen eine Fronleichn­amsprozess­ion mit interessan­ten Trachten. Wir essen im Hotel Sonnhof. Wir geben eine Grußkarte an Prof. P. auf.“Unsere Karte ging 70 Jahre später an Wolfgang Porsche.

 ??  ?? Treffen der Generation­en auf der Strecke der historisch­en Abnahmefah­rt des Ur-Porsches, des ersten 356ers. Von Gmünd hoch zum Glockner und zum Weißensee und wieder retour.
Treffen der Generation­en auf der Strecke der historisch­en Abnahmefah­rt des Ur-Porsches, des ersten 356ers. Von Gmünd hoch zum Glockner und zum Weißensee und wieder retour.
 ??  ?? Ferdinand Porsche und Sohn Ferry im Jahr 1934. Ferry hatte nach dem Krieg die Idee zum 356er – die Sportwagen­marke war geboren.
Ferdinand Porsche und Sohn Ferry im Jahr 1934. Ferry hatte nach dem Krieg die Idee zum 356er – die Sportwagen­marke war geboren.

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