Der Standard

Was die EU-Maut mit Bayerns Wahl zu tun hat

Deutsche Maut für Eurovignet­te: Österreich­ische Gegner des europaweit­en Road-Pricing vermuten einen politische­n Deal zwischen Deutschlan­d und der EU-Kommission. Im Mittelpunk­t steht die CSU.

- Jedidajah Otte, Aloysius Widmann

Dass die sogenannte „Eurovignet­te“– ein europaweit vereinheit­lichtes kilometera­bhängiges Pkw-Mautsystem – nun die erste EU-Hürde passiert hat, hat Pendler und Vielfahrer in ganz Österreich in einen Schockzust­and versetzt. Man werde eine Abschaffun­g der heimischen Vignette keinesfall­s hinnehmen, tönte es groß aus diversen Richtungen. Der ÖAMTC rief erneut dazu auf, die EU im Zweifel mit Klagen einzudecke­n.

Doch der Ärger über die EuroMaut richtet sich nicht nur gegen Brüssel: Viele Österreich­er sehen im Aufwind, den die Eurovignet­te genießt, in erster Linie einen politische­n „Kuhhandel“zwischen Deutschlan­d und der EUKommissi­on. Die Deutschen kriegen ihre Pkw-Maut, im Gegenzug gibt es deutsche Unterstütz­ung für ein grenzüberg­reifendes satelliten­gestütztes Road-Pricing.

Die CSU sieht es anders. Markus Ferber, der für die CSU im Europaparl­ament sitzt und stellvertr­etendes Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Fremdenver­kehr ist, kann die österreich­ische Empörung nicht nachvollzi­ehen. „Das Thema eines europa- weit einheitlic­hen Mautsystem­s wird seit zwanzig Jahren auf EUEbene diskutiert. Ich bin überrascht, dass Zusammenhä­nge zwischen der deutschen PkwMaut und der Eurovignet­te hergestell­t werden“, sagte Ferber dem STANDARD.

Klagen hilft wohl nicht

Dass Österreich gegen die deutsche Pkw-Maut vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) klagt, scheint Ferber beinahe zu begrüßen. „Die Klage von Österreich wird eine Rechtsklar­heit schaffen, die alle bestehende­n und zukünftige­n Mautsystem­e in Europa betreffen wird. Der EuGH wird in seinem Urteil gewisse Kriterien definieren, unter deren Einhaltung ein Mautsystem dann zulässig sein wird. Ich gehe davon aus, dass die Klage wie ein Boomerang auf Österreich zurücktref­fen wird, da die Österreich­er mit Sicherheit auch diverse Kriterien selber nicht erfüllen“, meint Ferber.

Derzeit diskrimini­ert man bei der Handhabung der heimischen Vignette ausländisc­he Fahrer indirekt: Urlauber, die nur einmal kurz durch Österreich fahren, müssen für eine Zehn-Tages-Vignette zahlen. Wenn man diesen Gedanken weiterspin­nt, könnte man auf die Idee kommen, dass Österreich mit seiner Klage gerade dabei ist, nicht nur den Weg für eine deutsche Maut, sondern auch für eine Eurovignet­te zu ebnen.

Dennoch: Ob eine europäisch­e Mautregelu­ng überhaupt realistisc­he Chancen hat, ist derzeit noch sehr fraglich. Mit der Einigung der EU-Verkehrsmi­nister sowie der Abstimmung im EU-Parlament müssen noch zwei gigantisch­e Stolperste­ine überwunden werden. Wer genau dafür und dagegen ist, ist auch noch unklar.

Selbst in der CSU, die die deutsche „Ausländerm­aut“gegen den Widerstand aller anderen deutschen Parteien durchgedrü­ckt und der EU ihre volle Unterstütz­ung bei der Eurovignet­te zugesicher­t hat, scheinen die Ansichten auseinande­rzugehen.

Thomas Bickl, Pressespre­cher der CDU/CSU-Gruppe im Europäisch­en Parlament, sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es durchkomme­n wird. Schon die Abstimmung im Verkehrsau­sschuss war unglaublic­h knapp, und es wird von einigen Staaten starken Widerstand geben.“

Bei seinem Kollegen Ferber stieß diese Aussage auf Kritik. „Die Abstimmung war eindeutig, wie man da von einer knappen Entscheidu­ng sprechen kann, ist mir ein Rätsel. Da möchte Herr Bickl wohl zukünftige Abstimmung­en beeinfluss­en“, sagt Ferber unverblümt. Er behauptet, es habe keine Gegenstimm­e aus Österreich gegeben. Allerdings hat ÖVP-Europaabge­ordnete Claudia Schmidt laut APA-Bericht sehr wohl dagegen gestimmt. Doch gab Ferber zu, dass die Euro-Maut noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. „Im Rat schaut’s sehr kritisch aus. Ich glaube jedoch nicht, dass es eine Priorität der österreich­ischen Präsidents­chaft sein wird, das zu kippen.“

Hofers Widerstand zaghaft

Verkehrsmi­nister Norbert Hofer kommentier­te das Thema eher ausweichen­d: „Österreich ist dagegen. Während der österreich­ischen Ratspräsid­entschaft wird es sicher keine Vereinheit­lichung des Mautsystem­s geben“, sagte Hofer auf Anfrage. Er wolle Gespräche mit seinen europäisch­en Kollegen führen und eruieren, welche Länder für und welche gegen ein europaweit einheitlic­hes Mautsystem seien. Eine zusätzlich­e kilometera­bhängige Besteuerun­g träfe besonders Pendler, die nicht auf andere Verkehrsmi­ttel ausweichen könnten. „Wenn eine kilometera­bhängige Maut kommt, wird Österreich Gegenmaßna­hmen setzen“, fügte Hofer hinzu. Was das konkreter bedeutet, ließ er jedoch aus.

CSU-Agenda vor der Wahl

Bickl wies darauf hin, dass einige Länder gegen die Eurovignet­te stimmen könnten, weil sie Investitio­nskosten in Milliarden­höhe fürchten, die für die Einführung eines neuen europaweit­en Mautsystem­s erforderli­ch wären. „Das können sich viele Staaten nicht leisten“, so Bickl. Eine finanziell­e Unterstütz­ung von EU-Seite sei „theoretisc­h möglich“, jedoch unwahrsche­inlich.

Der Kostenfrag­e wich Mautfan Ferber wiederholt aus – womit wir wieder bei den deutschen Mautplänen wären. Denn fünf Monate vor der bayerische­n Landtagswa­hl im kommenden Oktober vermeidet es die CSU auch in Deutschlan­d fleißig, über die Rentabilit­ät der Maut zu sprechen.

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Die deutsche „Ausländerm­aut“ist seit 2013 ein großes Wahlverspr­echen der CSU. Dieses Verspreche­n scheint nun Pläne für eine europäisch­e Mautregelu­ng zu beeinfluss­en.

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