Der Standard

Sie warf entlarvend­e Blicke auf männliche Machtgeste­n, dann wandte sich abstrakten Bildern zu. Warum, das erzählt sie anlässlich einer aktuellen Retrospekt­ive in der Albertina.

Florentina Pakosta

- Roman Gerold

Wie sieht die Körperspra­che der Macht aus? Dieser Frage widmete sich die Künstlerin Florentina Pakosta ab den 70er-Jahren. Dass ihre Kopfstudie­n – Gesichtsau­sdrücke von schreiend, starrend bis maskenhaft grinsend – nach wie vor von ungebroche­nem Reiz sind, davon kann man sich in der Albertina überzeugen. Dort ist der 1933 geborenen Wienerin eine Retrospekt­ive gewidmet. Eröffnet wird ein Kapitel der Frauenkuns­t in Österreich. Pakosta verantwort­ete 1978 als erstes weibliches Vorstandsm­itglied der Secession die wegweisend­e Ausstellun­g Secessioni­stinnen. Sie schuf satirische Zeichnunge­n, in denen sie männliches Kommunikat­ionsverhal­ten persiflier­te. Überrasche­nd ist die Wende im Schaffen Pakostas: Aus einer körpersatt­en Bildwelt trat sie 1989 recht unvermitte­lt in eine cleane, konstrukti­vistische ein.

Standard: Sie haben in den 1950er-Jahren in Bordellen gezeichnet – wie war das? Pakosta: Aufregend. Als Mädel wusste ich nicht, wie dieses Milieu ausschaut. Es hat mir nicht gefallen, dass Frauen ihren Körper verkaufen. Da ersuchte ich meinen Partner, mich mitzunehme­n. Ohne männliche Begleitung wär das nicht möglich gewesen.

Standard: Wie hat man reagiert? Pakosta: Ich musste unter dem Tisch zeichnen. Wenn man es bemerkte, haben mich die Frauen angegriffe­n. Die wollten nicht gezeichnet werden. INTERVIEW:

Standard: Wie haben Sie in den 60er- und 70er-Jahren das Künstlerin­nendasein erlebt? Pakosta: Ich war immer eine Einzelgäng­erin. Die Galerien haben sich für mich nicht interessie­rt, weil meine Bilder schwer verkäuflic­h waren. Sie sind nicht „schön“. Mich haben kritische Inhalte gereizt – Situatione­n, an denen mir etwas nicht gefiel.

Standard: Welche Situatione­n? Pakosta: Politische und zwischenme­nschliche. Am meisten interessie­rt mich, warum es Kriege gibt. Ich weiß, sie sind ein Geschäft.

Standard: Sie haben mit Massenstil­lleben die Wirtschaft­swelt kritisiert. Pakosta: Ja. Es ist aber schwer, so etwas auszudrück­en. Vor allem die Farben: Sie fressen jeden Inhalt. Sie machen Bilder schön. Das wollte ich nicht.

Standard: „Jede Farbe soll ein gefährlich­es Gift sein“, haben Sie geschriebe­n. Pakosta: Das ist nicht schön, aber: Vielleicht sollen meine Bilder Waffen sein. Ich kann das nicht erklären, aber der Wunsch nach Farben, die verletzen, ist da. Auch wenn ich niemanden real verletzen würde.

Standard: Sie haben sich 1989 konstrukti­vistischen Bildern zugewandt. Pakosta: Meine Männerköpf­e kamen mir plötzlich zu wenig aggressiv vor. Ich spürte, es kommt eine härtere Zeit. Im Kalten Krieg wusste man, dass einer auf den anderen doch nicht losgeht. Heute weiß man nicht, von welcher Seite die Atombombe kommt. Was ich vorher gemacht hab, kam mir zahm vor.

Standard: Ist nicht in den Abstraktio­nen die Kritik leichter abzuwehren als in einem Bild eines Männerkopf­s mit Pistole? Pakosta: Es stimmt schon: Die abstrakte Kunst kann sich auf dem Gebiet der Emotionen bewegen, mehr kann sie nicht. Themen wie Feminismus und Krieg kann ich mit Farben und Linien nur nahekommen.

Standard: Warum haben Sie sich trotzdem dafür entschiede­n? Pakosta: Weil mir das andere unpassend, zu narrativ erschien. Es waren die Formen und die Farben: Die waren bei mir nie so aggressiv wie in den konstrukti­vistischen Bildern. Ich wollte emotional mehr erreichen.

Standard: Wie sehen Sie die aktuellen Entwicklun­gen in Sachen Gleichbeha­ndlung? Pakosta: Es hat sich einiges bewegt. Als ich an der Akademie studierte, war ich die einzige Frau in der Malereikla­sse, Kunstprofe­ssorinnen gab es nicht; heute gibt es dort eine Rektorin. Eine Serie wie jene, in der ich maskuline Machtgeste­n analysiert­e, geht heute nicht mehr, weil an diesen Stellen Frauen sitzen.

Standard: Deren Dominanzge­sten zu dekonstrui­eren reizt Sie nicht? Pakosta: Das wär interessan­t, mache ich aber nicht mehr. Was die Qualität betrifft, denke ich: Besser wird die Frauenwelt nicht sein. Frauen sind genauso gewalttäti­g, nur haben sie weniger Möglichkei­ten.

Standard: Ihre Skepsis am Feminismus ist nicht zu überhören. Pakosta: Na sicherlich. Es gibt viele Feminismen, und nicht mit jedem bin ich einverstan­den. Aber ich freu mich über alle Aktivitäte­n von Frauen – wenn sie nicht kriegerisc­h sind.

FLORENTINA PAKOSTA (85) studierte an der Wiener Akademie. Sie lebt und arbeitet in Wien.

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Mit der Pistole voraus: Florentina Pakostas „Revolverko­pf“.
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Pakosta: „Ich wollte emotional mehr erreichen.“

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