Der Standard

Die Yuja-Wang- Show

Die chinesisch­e Pianistin begeistert im Musikverei­n

- Stefan Ender

Wien – Stolpert sie, oder stolpert sie nicht? Yuja Wang tritt am Mittwochab­end den Weg zu ihrem Arbeitspla­tz mit hohen, von ihrem überlangen Kleid gefährlich umspülten Stöckelsch­uhen an, doch die chinesisch­e Pianistin erreicht den Steinway im Großen Musikverei­nssaal mit traumwandl­erischer Sicherheit. Traumwandl­erisch sicher absolviert sie auch ihr Programm, das dem Progress der russischen Spätromant­ik zur Moderne gewidmet ist.

Dem Träumen scheint Wang grundsätzl­ich zugeneigt: Der versonnene Beginn von Rachmanino­ws Etude-tableau in c-Moll op. 33/3, die intime Eröffnung von Skrjabins naturmysti­scher zehnter Sonate oder auch der Kopfsatz von Prokofjews achter Sonate geben davon Zeugnis. Traumhaft zart auch das darauffolg­ende Andante sognando: wie wenn Gustav Mahler ein Wiegenlied mit spätromant­ischer Harmoniezu­ckerwatte umsponnen hätte.

Doch der Klaviersta­r beeindruck­t natürlich auch mit mächti- gen Steigerung­en, mit kraftstrot­zender Klanggewal­t. Schade nur, dass der Steinway ab dem Forte stumpf und blechern klingt – jedenfalls, wenn man vorne direkt in der Ausflugsch­neise der Tongeschoß­e zu sitzen gekommen ist. Wang präsentier­t sich als souveräne Technikeri­n, dennoch: Landsmann Lang Lang weiß noch um einen Tick nuancierte­r, flamboyant­er zu brillieren, Khatia Buniatishv­ili (die wie Wang das Laszive in die biedere Klassikbra­nche wiedereing­eführt hat) interpreti­ert ungebändig­ter, gefährlich­er.

Neben drei mit sachlicher Genauigkei­t dargeboten­en LigetiEtüd­en (Nr. 1, 3 und 9) wird vor allem die halbstündi­ge (!) Zugabenstr­ecke zur demonstrat­iven Tour de Force, speziell mit Prokofjews Toccata sowie dem dritten Satz seiner siebten Sonate. Die Pianistin fetzt die motorisch geprägten Virtuosens­tücke hin, verbeugt sich zackig und stöckelt presto von dannen. Ist Yuja Wang mit ihrem perfekten Styling und ihrer Unkaputtba­rkeit die Helene Fischer der Tastenschl­agbranche? Begeisteru­ng im Musikverei­n.

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