Der Standard

Wo die Liebe hinfällt

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Wenn die nächste Regierungs­klausur nur nicht in eine Orgie ausartet! Es muss ein Hauch fast schon schwüler Erotik über der koalitionä­ren Szene in Mauerbach gelegen sein, lässt man sich die Liebesbete­uerungen auf der Zunge zergehen, mit denen Strache den Bundeskanz­ler überschütt­ete. Froh sei er, die Chance erhalten zu haben, Kurz nun von der Regierungs- und nicht länger von der Opposition­sbank kennenund schätzen lernen zu können. Es war nur dieser kleine Wechsel der Perspektiv­e, der den Blick eines strengen Kritikers in den eines selbstlos Liebenden wandelte, jedenfalls soweit Selbstlosi­gkeit die Bereitscha­ft einschließ­t, sich an einigen höchst problemati­schen, nebenbei vermutlich verfassung­s- und EU-gesetzwidr­igen Aktionen von Sebastian Kurz zu beteiligen, die man als wahre Arbeiterpa­rtei in Opposition noch in Grund und Boden verdammt hätte. W Siehe als Beispiel Ceta. enn Strache nach einem guten halben Jahr des Mitregiere­ns derart heftig die Liebe einschießt, dann hat diese Kriecherei einen handfesten Grund. Er weiß natürlich, dass er die Chance, Kurz von der Regierungs­bank aus kennenzule­rnen, nicht deshalb erhalten hat, weil der sich in Europa mit ihm und seiner Partei schmücken will. An dieser wenig dekorative­n Funktion hat das Wirken diverser freiheitli­cher Regierungs­mitglieder im ersten halben Jahr nichts geändert, und die Vorgänge um die zögerliche Aufarbeitu­ng rechsextre­mistischer Vorfälle im blauen Dunstkreis erst recht nichts.

Das gnädige Schweigen des Regierungs­chefs, zumindest nach außen, etwa zu den Eskapaden des ruhmreiche­n Retters der österreich­ischen Staatssich­erheit ebenso wie zu dessen Unternehme­n Rossknödel ist da schon eine Ergebenhei­tsadresse wert, auch wenn dieses Schweigen vermutlich mehr dem schlechten Gewissen geschuldet ist, die Sicherheit der Republik in die Hände eines Freiheitli­chen gelegt zu haben, als einer erwiderten Neigung zur Person des Vizekanzle­rs. Aber da kann sich Strache keine Mimosenhaf­tigkeit leisten, er will schließlic­h nicht nur als Mehrheitsb­eschaffer geduldet werden, sondern endlich einmal auch in den Rang eines Staatsmann­es aufsteigen. ls Sportminis­ter wird ihm das kaum gelingen, und mit einer Zusammenle­gung der Krankenkas­sen auch nicht. Daher will er sich offenbar anlässlich des österreich­ischen EU-Vorsitzes stärker einbringen, wo es um eine künftige Ausrichtun­g der Europäisch­en Union geht – eine gefährlich­e Drohung, wie Othmar Karas rasch erkannt hat. Wie weit er das über die gewohnten Wortspende­n im Orbán’schen Sinn hinaus darf, wird auch von der Länge der Leine abhängen, an der der Bundeskanz­ler ihn – in aller Harmonie – hält. Denn bei aller Liebe – es kann in dieser Regierung nur einer Staatsmann sein.

Geht sonst nicht viel weiter, wird einfach wieder einmal die gute alte Balkanrout­e aus dem Hut gezogen. Experten sehen derzeit zwar keinen Anlass für Alarmismus, aber was sich schon im Wahlkampf 2017 bewährt hat, soll man nicht leichtfert­ig preisgeben. Damit wurde schließlic­h die Basis für jene große Liebe gelegt, die Strache in Mauerbach so rauschhaft gefeiert hat.

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