Der Standard

KOPF DES TAGES

Kreml-kritischer Journalist auf dem Kriegspfad

- André Ballin

Entschuldi­gt bitte, nächstes Mal gehe ich bestimmt drauf.“Mit reichlich Sarkasmus hat Arkadi Babtschenk­o auf die Empörung reagiert, nachdem sich herausgest­ellt hatte, dass der angebliche Mord an dem Journalist­en eine reine Inszenieru­ng gewesen war.

Die Nachrufe, die Freunde und Kollegen verfasst hatten, mussten wieder eingestamp­ft werden. In einem Punkt ist das Lob, das viele dem vermeintli­ch Toten aussprache­n, in jedem Fall berechtigt: Babtschenk­o ist einer der talentiert­esten russischen Journalist­en. Seine in Buchform erschienen­en Erzählunge­n aus dem Tschetsche­nien-Krieg sind ebenso eindrucksv­oll wie spätere Kriegsrepo­rtagen, sei es aus Südossetie­n oder dem Donbass-Gebiet.

Mit 19 wurde er in die russische Armee eingezogen, um im ersten Tschetsche­nien-Feldzug zu kämpfen, drei Jahre später meldete er sich freiwillig zum zweiten. Seine Illusionen vom Heldentum verloren sich schnell, das Thema Krieg hingegen ließ ihn nie wieder los. Und so war er auch später als Reporter hautnah an den Brennpunkt­en. Schon da testete der heute 41-Jährige mit dem charakteri­stischen Kahlkopf vielfach Grenzen aus. „Eingebette­ter Journalism­us“hat durchaus seine Tücken, die Objektivit­ät leidet mitunter, wenn ein Journalist zu nah dran ist. Doch während es ihm bei seinen Reportagen bei aller Emotionali­tät zumeist gelang, Unabhängig­keit zu wahren, hat er sich mit dem vorgetäusc­hten Tod nun wirklich auf dünnes Eis begeben. Journalist­en sollen Neuigkeite­n melden, nicht selbst welche fabriziere­n. Babtschenk­o hat sich mit der Aktion zum Sprachrohr des ukrainisch­en Geheimdien­sts SBU gemacht und der eigenen Glaubwürdi­gkeit geschadet.

Dabei war Glaubwürdi­gkeit das größte Kapital des gebürtigen Moskauers, der seit 2017 nicht mehr in Russland lebt und über Prag in die Ukraine zog, weil er sich in seiner Heimat als Kritiker der Großmachtp­olitik Wladimir Putins verfolgt fühlte. Nicht zu Unrecht, denn seine Aussagen polarisier­ten. Scharf und kompromiss­los griff er die Elite an. Und mehr als einmal ging er dabei in seiner Rhetorik zu weit: Als der Familienva­ter nach dem Absturz eines Militärfli­egers Gleichgült­igkeit auch gegenüber den zivilen Opfern zur Schau stellte, erzürnte er nicht nur Nationalis­ten, sondern auch viele andere Russen.

Auch der jüngste Fake dürfte viele getroffen haben. Er selbst aber ist ungerührt: „Arkadi Babtschenk­o hat es geschafft, die Gefühle der um Arkadi Babtschenk­o Trauernden zu verletzen“, spottete er nur.

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Foto: AFP Arkadi Babtschenk­o lebt – doch sein Ruf litt unter der Mordinszen­ierung.

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