Der Standard

Populisten regieren Italien

Italien erhält als erstes EU-Land eine Regierung, die nur aus populistis­chen Parteien besteht: In Rom regiert seit Freitag die postideolo­gische Bewegung Cinque Stelle mit der rechtsradi­kalen Lega.

- Dominik Straub aus Rom

In Rom regiert seit Freitag die postideolo­gische Bewegung Cinque Stelle mit der rechtsradi­kalen Lega.

Ganze 89 Tage hat die Regierungs­bildung gedauert, doch dann ging plötzlich alles schnell: Freitagnac­hmittag haben der neue Ministerpr­äsident Giuseppe Conte und seine insgesamt 18 Ministerin­nen und Minister im Quirinalsp­alast ihren Amtseid geleistet, und am heutigen Samstag, dem Nationalfe­iertag, sitzen sie bereits auf der Tribüne an den Römer Kaiserfore­n, um mit Präsident Sergio Mattarella der Militärpar­ade beizuwohne­n.

Am unwirklich­sten wird seine neue Rolle wohl Giuseppe Conte vorkommen: Der 54-jährige Süditalien­er hatte vor einer Woche einen ersten Auftrag zur Regierungs­bildung erhalten, scheiterte aber am Sonntag mit seinem Kabinett an einem Veto des Präsidente­n. Mattarella weigerte sich, den von den neuen Regierungs­parteien vorgeschla­genen Vordenker eines Euroaussti­egs, Paolo Savona, als Finanz- und Wirtschaft­sminister zu akzeptiere­n. In der Folge kehrte Conte an seine Uni in Florenz zurück. Doch am Donnerstag kam erneut ein Anruf aus Rom: Lega-Führer Matteo Salvini und der Chef der Cinque Stelle, Luigi Di Maio, hatten sich auf eine neue Ministerli­ste geeinigt – mit einem anderen Finanz- und Wirtschaft­sminister, aber weiter mit Conte.

Mattarella hat dem Premier noch am späten Donnerstag­abend einen zweiten Regierungs­auftrag erteilt, während der mit der Bildung einer Übergangsr­egierung beauftragt­e ehemalige IWF-Ökonom Carlo Cottarelli sein Mandat zurückgab. Den Weg für eine Populisten­regierung freigemach­t hatte Salvini, der sich damit einverstan­den erklärte, dass Savona ins Ministeriu­m für europäisch­e Angelegenh­eiten versetzt wird.

Via Berlusconi ins Amt

An seiner Stelle Finanz- und Wirtschaft­sminister wird nun der 69-jährige Wirtschaft­sprofessor Giovanni Tria. Er gilt als „kritischer Europabefü­rworter“und hat sich bereits für die von der Lega im Wahlkampf versproche­ne „Flat Tax“ausgesproc­hen. Vor einigen Jahren war er Mitautor beim wirtschaft­lichen Wahlprogra­mm Silvio Berlusconi­s gewesen.

Mit Conte und Tria werden die beiden wichtigste­n Posten in der neuen Regierung von Professore­n besetzt, die weder den Cinque Stelle noch der Lega angehören. Auch der neue Außenminis­ter ist ein parteilose­r „Experte“: Der 63jährige Jurist Enzo Moavero Milanesi war schon Minister für europäisch­e Angelegenh­eiten in den Regierunge­n von Mario Monti und dem Sozialdemo­kraten Enrico Letta gewesen. Der überzeugte Europäer wird sich dafür einsetzen, dass die Beziehunge­n der von europakrit­ischen Parteien beherrscht­en italienisc­hen Regierung zu Brüssel nicht umgehend auf den Nullpunkt sinken. Conte wiederum erklärte, dass ein Austritt aus dem Euro für die neue Regierung „kein Thema“sei.

Die Frage steht freilich im Raum, wie autonom Conte agieren wird. Bei der Zusammenst­ellung seiner Ministerli­ste hatte er schon einmal nichts zu sagen – die wurde von Di Maio und Salvini erstellt. Der Lega-Führer, der eine knallharte Migrations­politik mit der Abschiebun­g von 500.000 illegal Eingewande­rten angekündig­t hat, wird Innenminis­ter; Di Maio erhält das Ministeriu­m für Soziales und Arbeit, wo er das Bürgereink­ommen in die Tat umsetzen will. Sowohl Salvini als auch Di Maio werden gleichzeit­ig VizePremie­rs und werden so entscheide­nden Einfluss nehmen können.

Weit rechtes Programm

Die übrigen Posten wurden mehr oder weniger gleichmäßi­g auf die beiden Regierungs­parteien verteilt – obwohl die Cinque Stelle bei den Wahlen vom 4. März mit knapp 33 Prozent fast doppelt so viele Stimmen erreicht hatten wie die Lega (17 Prozent). Auch das Koalitions­papier trägt klar die Handschrif­t der Lega, während Kernanlieg­en der „Grillini“nur sehr schwammig vorkommen. So wurde das Grundeinko­mmens auf das Jahr 2020 verschoben. Insgesamt hat Italien nun die am weitesten rechts stehende Regierung seit der Gründung der Republik im Jahr 1948.

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Die Ehrengarde des italienisc­hen Präsidente­n begrüßte die neue Regierung vor ihrer Angelobung.

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