Die Revanche der EU
Brüssel hat Milliardenzölle als Antwort auf Trumps Stahl- und Aluzölle vorbereitet. Deutschland und Frankreich feilen noch an einer geschlossenen Reaktion. Die Branche fürchtet indessen eine Dumpingstahlschwemme aus China.
Als Antwort auf Donald Trumps Stahl- und Aluzölle hat die Union Milliardenzölle vorbereitet.
Die Europäische Union will sich gegen die am Freitag eingeführten USZölle auf Stahl und Aluminium wehren. Brüssel plant noch in diesem Monat Zölle auf US-Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Europäische Politiker greifen Washington an – der Ton ist alles andere als abgestimmt. Für Europas Stahlbranche steigt indessen der Druck.
Der Protektionismus Washingtons sei ein Verstoß gegen internationale Abkommen und damit „illegal“, meinte der französische Präsident Emmanuel Macron am Freitag; und vor allem sei er auch ein „Fehler“, da er die Folgen nicht bedenke: „Der wirtschaftliche Nationalismus führt zum Krieg. Das ist genau das, was in den Dreißigerjahren passiert ist.“
Mit seinem Auftritt kontrastiert er die Kühle und Kürze der deutschen Reaktionen: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier drängt darauf, den Kontakt mit dem amerikanischen Partner aufrechtzuerhalten und nicht überstürzt zu reagieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel werde sich weiter für freien Handel und offene Märkte einsetzen, sagte ein Regierungssprecher in Berlin.
Dahinter stecken nicht nur Temperamentsunterschiede zwischen Berlin und Paris, sondern der Umstand, dass die deutsche Wirtschaft in einem hochgeschaukelten Handelsstreit mehr zu verlieren hat als die französische. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Peugeot und Renault sind in den USA nicht vertreten, während diese für Mercedes und BMW einen Hauptmarkt darstellen.
Gegenschlag vorbereitet
Die schwedische EU-Kommissarin Cecilia Malmström bezeichnete die „unterschiedlichen Prioritäten“als „normal“und verweist darauf, dass Handelspolitik ohnehin alleinige Kompetenz der EU sei. Indirekt geben die Positionen Deutschlands und Frankreichs dennoch den Ausschlag. Und zwischen Berlin und Paris laufen die Drähte heiß, um eine einheitliche Position zustandezubringen – weder zu brüsk für die Deutschen noch zu lau für die Franzosen. Darum hat die EU noch keine Entscheidung über das Ausmaß der Gegenzölle getroffen.
Einsatzbereit hat die Kommission Zölle auf US-Einfuhren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Sie könnten frühestens am 20. Juni in Kraft treten. Die Liste reicht von Stahl über Mais bis zu typisch amerikanische Produkte wie Bourbon, Blue Jeans und Erdnussbutter. In einer zweiten Stufe können ab 2021 weitere US-Produkte im Wert von 3,6 Milliarden Euro von Abgaben getroffen werden. Ein Klageverfahren gegen die USA wurde bei der WTO eingeleitet.
Furcht vor Stahlschwemme
Auch die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) reagierte empört: „Mit den USA verbinden uns seit vielen Jahren enge Wirtschaftsbeziehungen – dass USPräsident Trump diese mit der Verhängung von Strafzöllen aufs Spiel setzt, ist unverantwortlich.“ Dabei warnt die heimische Stahlindustrie vor allem vor den indirekten Auswirkungen der USZölle. Österreich verkauft lediglich rund fünf Prozent seiner Stahl- und Aluminiumexporte in die USA. Der überwiegende Teil werde nicht in dieser Qualität und Menge vor Ort hergestellt, erklärt Roman Stiftner, Geschäftsführer des Fachverbands für Bergwerke und Stahl. US-Abnehmer haben unmittelbar somit keinen inländischen Alternativen. Der Druck steigt eher auf dieser Seite des Atlantiks: Die EU hat bereits im Jahr 2017 rund 40 Millionen Tonnen mehr Stahl importiert, ein neuer Höhepunkt. „Experten schätzen, dass die Stahlimporte in die EU infolge der US-Strafzölle zumindest um ein Drittel steigen werden“, sagt Stiftner im Gespräch mit dem STANDARD. Brüssel müsse dringend Schutzmaßnahmen für die Branche einleiten. Dabei gehe es nicht um Protektionismus, sondern die Abwehr von unfairem Handel durch subventionierte Produzenten. Unter WTO-Regeln darf man gegen Dumpingpreise mit Schutzzöllen vorgehen, während der Tatbestand geprüft wird. Die Kommission müsse schneller und entschiedener als bisher reagieren, sagt Stiftner.
Auch beim größten heimischen Stahlproduzent Voestalpine sorgt man sich eher wegen indirekter Folgen. „Faktum ist, dass maximal etwa drei Prozent des aktuellen Umsatzes von den US-Zöllen betroffen sein können“, sagt VoestChef Wolfgang Eder. Sein Blick richtet sich in den Osten. Die EU müsse europäische Hersteller nun vor Dumpingstahl schützen.
Für die Europäische Union sieht die Lage nicht gut aus wegen der Eskalation im Handelsstreit mit den USA. Es fehlt ihr an Tempo und Entschlossenheit. Und viele EU-Staaten sind mehr mit sich selbst und ihren nationalen Befindlichkeiten beschäftigt als mit den Herausforderungen auf der Weltbühne. Siehe Italien.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat zwar recht, wenn er festhält, dass der glatte Bruch internationaler Regeln und völkerrechtlicher Vereinbarungen durch Donald Trump völlig unakzeptabel sei. Aber die europäische Empörung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EU-Institutionen und die Länder offenbar noch immer nicht richtig glauben wollen, dass der US-Präsident seine Drohungen tatsächlich wahrmachen will.
Sie neigen dazu, den Rambo im Weißen Haus nicht ganz ernst zu nehmen. Eine Arroganz, die sich rächen könnte. Bei vielen schwingt noch immer ein ungläubiges Staunen über das irrationale Powerplay in Washington mit, welches der deutsche Außenminister Heiko Maas bei einem Treffen mit seinem US-Gegenüber Pompeo perfekt zum Ausdruck brachte: „Mike, das kann doch wohl nicht euer Ernst sein“, sagte er zur US-Idee, auch deutsche Autos mit Strafzöllen zu belegen.
Maas’ Punkt war nicht schlecht, denn Trump begründet die verhängten Strafzölle (zunächst auf Stahl und Aluminium) mit der Gefährdung der Sicherheit in den USA – juristisch mehr als holprig. Aber das ändert nun mal nichts an der Realität. Trump hat es getan. Seit Freitag gelten Strafzölle.
Und die Europäer? Waren nicht in der Lage, sofort zu reagieren, obwohl seit langem klar ist, was kommt. Sie brauchen jetzt erst einmal mindestens bis 20. Juni, ehe sie ihre Gegenzölle auf US-Produkte real umsetzen können, obwohl sich die Staats- und Regierungschefs vor zwei Wochen beim EUGipfel in Sofia zum Thema berieten.
Es fehlt in der gemeinsamen Außenhandels- und Außenpolitik der Europäer einfach an Tempo und Tatkraft. Wer auf der Weltbühne so auftritt, dem fehlt es an Glaubwürdigkeit und Abschreckungswirkung. Die EU-Staaten haben nun – vertreten durch die Kommission – gar keine andere Wahl, als ihren engen transatlantischen Partner bei der Welthandelsorganisation (WTO) zu verklagen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie dort auch Recht bekom- men. Aber solche Verfahren dauern Jahre, mindestens zwei, sagen Experten. Das ist verdammt lang, wenn man bedenkt, wie brüchig der Kitt im Inneren der Union ist und was in den kommenden Monaten auf sie zukommt.
Dass just am Tag des Inkrafttretens der US-Strafzölle eine EU-feindliche Regierung im Gründerland Italien antritt, passt wie die Faust aufs Auge. In nur zehn Monaten wird Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied sein (und wohl sofort einen Freihandelsvertrag mit den USA suchen). Die EU-27 sollen den Budgetrahmen bis 2027 aushandeln, vor Weihnachten beginnt der Wahlkampf für die Europawahlen im Mai 2019. Zum Glück brummt die Wirtschaft in Europa, sonst würde das EU-Boot noch mehr schaukeln.
Zu allem Unglück gibt es im Herbst auch in den USA Wahlen, Repräsentantenhaus und ein Teil des Senats werden neu besetzt. Mister Trump ist also bereits im Wahlkampf. Man kann sich ausrechnen, wie er im Handelsstreit mit den EU-Europäern verfahren wird. Die meisten EU-Staaten sind auch Mitglieder der Nato. Auch dort wird der US-Präsident die Schrauben anziehen, Stichwort Budgetbeiträge. Keine rosigen Aussichten also.