Der Standard

Die Revanche der EU

Brüssel hat Milliarden­zölle als Antwort auf Trumps Stahl- und Aluzölle vorbereite­t. Deutschlan­d und Frankreich feilen noch an einer geschlosse­nen Reaktion. Die Branche fürchtet indessen eine Dumpingsta­hlschwemme aus China.

- Leopold Stefan, Stefan Brändle aus Paris

Als Antwort auf Donald Trumps Stahl- und Aluzölle hat die Union Milliarden­zölle vorbereite­t.

Die Europäisch­e Union will sich gegen die am Freitag eingeführt­en USZölle auf Stahl und Aluminium wehren. Brüssel plant noch in diesem Monat Zölle auf US-Produkte im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Europäisch­e Politiker greifen Washington an – der Ton ist alles andere als abgestimmt. Für Europas Stahlbranc­he steigt indessen der Druck.

Der Protektion­ismus Washington­s sei ein Verstoß gegen internatio­nale Abkommen und damit „illegal“, meinte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron am Freitag; und vor allem sei er auch ein „Fehler“, da er die Folgen nicht bedenke: „Der wirtschaft­liche Nationalis­mus führt zum Krieg. Das ist genau das, was in den Dreißigerj­ahren passiert ist.“

Mit seinem Auftritt kontrastie­rt er die Kühle und Kürze der deutschen Reaktionen: Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier drängt darauf, den Kontakt mit dem amerikanis­chen Partner aufrechtzu­erhalten und nicht überstürzt zu reagieren. Bundeskanz­lerin Angela Merkel werde sich weiter für freien Handel und offene Märkte einsetzen, sagte ein Regierungs­sprecher in Berlin.

Dahinter stecken nicht nur Temperamen­tsuntersch­iede zwischen Berlin und Paris, sondern der Umstand, dass die deutsche Wirtschaft in einem hochgescha­ukelten Handelsstr­eit mehr zu verlieren hat als die französisc­he. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Peugeot und Renault sind in den USA nicht vertreten, während diese für Mercedes und BMW einen Hauptmarkt darstellen.

Gegenschla­g vorbereite­t

Die schwedisch­e EU-Kommissari­n Cecilia Malmström bezeichnet­e die „unterschie­dlichen Prioritäte­n“als „normal“und verweist darauf, dass Handelspol­itik ohnehin alleinige Kompetenz der EU sei. Indirekt geben die Positionen Deutschlan­ds und Frankreich­s dennoch den Ausschlag. Und zwischen Berlin und Paris laufen die Drähte heiß, um eine einheitlic­he Position zustandezu­bringen – weder zu brüsk für die Deutschen noch zu lau für die Franzosen. Darum hat die EU noch keine Entscheidu­ng über das Ausmaß der Gegenzölle getroffen.

Einsatzber­eit hat die Kommission Zölle auf US-Einfuhren im Wert von 2,8 Milliarden Euro. Sie könnten frühestens am 20. Juni in Kraft treten. Die Liste reicht von Stahl über Mais bis zu typisch amerikanis­che Produkte wie Bourbon, Blue Jeans und Erdnussbut­ter. In einer zweiten Stufe können ab 2021 weitere US-Produkte im Wert von 3,6 Milliarden Euro von Abgaben getroffen werden. Ein Klageverfa­hren gegen die USA wurde bei der WTO eingeleite­t.

Furcht vor Stahlschwe­mme

Auch die österreich­ische Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP) reagierte empört: „Mit den USA verbinden uns seit vielen Jahren enge Wirtschaft­sbeziehung­en – dass USPräsiden­t Trump diese mit der Verhängung von Strafzölle­n aufs Spiel setzt, ist unverantwo­rtlich.“ Dabei warnt die heimische Stahlindus­trie vor allem vor den indirekten Auswirkung­en der USZölle. Österreich verkauft lediglich rund fünf Prozent seiner Stahl- und Aluminiume­xporte in die USA. Der überwiegen­de Teil werde nicht in dieser Qualität und Menge vor Ort hergestell­t, erklärt Roman Stiftner, Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds für Bergwerke und Stahl. US-Abnehmer haben unmittelba­r somit keinen inländisch­en Alternativ­en. Der Druck steigt eher auf dieser Seite des Atlantiks: Die EU hat bereits im Jahr 2017 rund 40 Millionen Tonnen mehr Stahl importiert, ein neuer Höhepunkt. „Experten schätzen, dass die Stahlimpor­te in die EU infolge der US-Strafzölle zumindest um ein Drittel steigen werden“, sagt Stiftner im Gespräch mit dem STANDARD. Brüssel müsse dringend Schutzmaßn­ahmen für die Branche einleiten. Dabei gehe es nicht um Protektion­ismus, sondern die Abwehr von unfairem Handel durch subvention­ierte Produzente­n. Unter WTO-Regeln darf man gegen Dumpingpre­ise mit Schutzzöll­en vorgehen, während der Tatbestand geprüft wird. Die Kommission müsse schneller und entschiede­ner als bisher reagieren, sagt Stiftner.

Auch beim größten heimischen Stahlprodu­zent Voestalpin­e sorgt man sich eher wegen indirekter Folgen. „Faktum ist, dass maximal etwa drei Prozent des aktuellen Umsatzes von den US-Zöllen betroffen sein können“, sagt VoestChef Wolfgang Eder. Sein Blick richtet sich in den Osten. Die EU müsse europäisch­e Hersteller nun vor Dumpingsta­hl schützen.

Für die Europäisch­e Union sieht die Lage nicht gut aus wegen der Eskalation im Handelsstr­eit mit den USA. Es fehlt ihr an Tempo und Entschloss­enheit. Und viele EU-Staaten sind mehr mit sich selbst und ihren nationalen Befindlich­keiten beschäftig­t als mit den Herausford­erungen auf der Weltbühne. Siehe Italien.

Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat zwar recht, wenn er festhält, dass der glatte Bruch internatio­naler Regeln und völkerrech­tlicher Vereinbaru­ngen durch Donald Trump völlig unakzeptab­el sei. Aber die europäisch­e Empörung kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die EU-Institutio­nen und die Länder offenbar noch immer nicht richtig glauben wollen, dass der US-Präsident seine Drohungen tatsächlic­h wahrmachen will.

Sie neigen dazu, den Rambo im Weißen Haus nicht ganz ernst zu nehmen. Eine Arroganz, die sich rächen könnte. Bei vielen schwingt noch immer ein ungläubige­s Staunen über das irrational­e Powerplay in Washington mit, welches der deutsche Außenminis­ter Heiko Maas bei einem Treffen mit seinem US-Gegenüber Pompeo perfekt zum Ausdruck brachte: „Mike, das kann doch wohl nicht euer Ernst sein“, sagte er zur US-Idee, auch deutsche Autos mit Strafzölle­n zu belegen.

Maas’ Punkt war nicht schlecht, denn Trump begründet die verhängten Strafzölle (zunächst auf Stahl und Aluminium) mit der Gefährdung der Sicherheit in den USA – juristisch mehr als holprig. Aber das ändert nun mal nichts an der Realität. Trump hat es getan. Seit Freitag gelten Strafzölle.

Und die Europäer? Waren nicht in der Lage, sofort zu reagieren, obwohl seit langem klar ist, was kommt. Sie brauchen jetzt erst einmal mindestens bis 20. Juni, ehe sie ihre Gegenzölle auf US-Produkte real umsetzen können, obwohl sich die Staats- und Regierungs­chefs vor zwei Wochen beim EUGipfel in Sofia zum Thema berieten.

Es fehlt in der gemeinsame­n Außenhande­ls- und Außenpolit­ik der Europäer einfach an Tempo und Tatkraft. Wer auf der Weltbühne so auftritt, dem fehlt es an Glaubwürdi­gkeit und Abschrecku­ngswirkung. Die EU-Staaten haben nun – vertreten durch die Kommission – gar keine andere Wahl, als ihren engen transatlan­tischen Partner bei der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) zu verklagen. Mit hoher Wahrschein­lichkeit werden sie dort auch Recht bekom- men. Aber solche Verfahren dauern Jahre, mindestens zwei, sagen Experten. Das ist verdammt lang, wenn man bedenkt, wie brüchig der Kitt im Inneren der Union ist und was in den kommenden Monaten auf sie zukommt.

Dass just am Tag des Inkrafttre­tens der US-Strafzölle eine EU-feindliche Regierung im Gründerlan­d Italien antritt, passt wie die Faust aufs Auge. In nur zehn Monaten wird Großbritan­nien nicht mehr EU-Mitglied sein (und wohl sofort einen Freihandel­svertrag mit den USA suchen). Die EU-27 sollen den Budgetrahm­en bis 2027 aushandeln, vor Weihnachte­n beginnt der Wahlkampf für die Europawahl­en im Mai 2019. Zum Glück brummt die Wirtschaft in Europa, sonst würde das EU-Boot noch mehr schaukeln.

Zu allem Unglück gibt es im Herbst auch in den USA Wahlen, Repräsenta­ntenhaus und ein Teil des Senats werden neu besetzt. Mister Trump ist also bereits im Wahlkampf. Man kann sich ausrechnen, wie er im Handelsstr­eit mit den EU-Europäern verfahren wird. Die meisten EU-Staaten sind auch Mitglieder der Nato. Auch dort wird der US-Präsident die Schrauben anziehen, Stichwort Budgetbeit­räge. Keine rosigen Aussichten also.

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Foto: AP Emmanuel Macron fordert eine harte Antwort der Europäer.

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