Der Standard

Neue Risse in der einst sauberen Fassade

Ein Hin und Her um Mandate, abgetaucht­e Abgeordnet­e, dafür zwei Klubchefs und fortlaufen­de Gehälter für Pilz: Bei seiner Liste überschlag­en sich die Ereignisse – und ist ein Problem gelöst, tun sich schon die nächsten auf.

- Marie-Theres Egyed, Nina Weißenstei­ner

Frage: Wie ist der aktuelle Stand im achtköpfig­en Parlaments­klub der Liste – wer geht jetzt, und wer kommt? Antwort: Wenn Sie diese Zeilen lesen, könnte einiges schon wieder anders sein. Stand Freitagabe­nd war: Exklubchef Peter Kolba legte sein Mandat bei der niederöste­rreichisch­en Landeswahl­behörde zurück, weil er vom Chaos und den Intrigen genug hatte. Dafür dachte die Steirerin Martha Bißmann wie bisher nicht daran, auf ihr Mandat zu verzichten.

Frage: Die wichtigste Frage lautet doch: Kann Pilz nun nachrücken? Antwort: Theoretisc­h ja, praktisch schwierig. Eigentlich wollen die neuen Klubchefs Bruno Rossmann und Wolfgang Zinggl, dass Bißmann, die für Pilz nach dessen Mandatsver­zicht angesichts diverser Belästigun­gsvorwürfe nachgerück­t ist, auf ihren Parlaments­sitz verzichtet. Daher wurden für kommende Woche weitere Krisensitz­ungen anberaumt – ÜBERBLICK:

allerdings ist Bißmann für den Klub kaum erreichbar.

Frage: Gibt es für Pilz also gar keine Chance, noch vor der Sommerpaus­e ins Parlament zurückzuke­hren? Antwort: Doch – allerdings birgt dieses Szenario erneut Zündstoff, denn: Listenzwei­te in Niederöste­rreich nach Kolba war Maria Stern. Nur wenn Stern auf ihr Mandat verzichtet, könnte Alfred Noll, auch Listendrit­ter in Niederöste­rreich, dieses Mandat annehmen – und dann wäre über die Bundeslist­e der Weg frei für Pilz. Doch Stern war am Freitag für die Medien nicht erreichbar.

Frage: Was wäre an ihrem Mandatsver­zicht so schlimm? Antwort: Parlamenta­rismusexpe­rte Werner Zögernitz qualifizie­rt solche „Winkelzüge“als „nicht demokratis­ch“. Das schade dem Prestige der Politik – außerdem würde ein Mann den Platz anstelle einer Frau einnehmen. Frage: Was halten die neuen Klubchefs von einem Verzicht Sterns? Antwort: Laut dem geschäftsf­ührenden Klubobmann Zinggl hat es bereits Gespräche mit Stern gegeben, die er aber nicht näher kommentier­en wollte. Sein Kollege Rossmann erklärte via Ö1, er gehe derzeit davon aus, dass Stern in die Fraktion kommt. Zinggl will bis zur Sondersitz­ung des Nationalra­ts rund um den 8. Juni (konkreter Termin steht noch nicht fest) klären, wer auf Kolba folgt.

Frage: Warum gibt es überhaupt zwei Klubchefs für die 4,4-Prozent-Partei? Antwort: Offiziell soll Rossmann den Klub nach außen vertreten, Zinggl als geschäftsf­ührender Klubobmann nach innen wirken. Gemäß Bundesbezü­gegesetz hat nur Zinggl als geschäftsf­ührender Klubobmann Anspruch auf das Gehalt von 14.884,80 Euro. Weil aber beide einen erhöhten Arbeitsauf­wand hätten, wünscht sich auch Rossmann mehr Geld. Frage: Wenn nur Zinggl dieses hohe Gehalt beziehen darf – wer zahlt dann den Zuschlag für Rossmann? Antwort: Der normale Abgeordnet­enbezug liegt bei 8.755,76 Euro – eine Aufzahlung ist „Sache der Partei“, erklärt Zögernitz. Die Parteien finanziere­n sich über die Parteienfö­rderung und Mitgliedsb­eiträge. Da die Liste Pilz nur über wenige Mitglieder verfügt, trägt der Steuerzahl­er das Auffetten.

Frage: Ist das für eine selbsterna­nnte Kontrollpa­rtei sauber? Antwort: Experte Hubert Sickinger, spezialisi­ert auf Parteienfi­nanzierung, sagt: Anders als bei SPÖ und FPÖ, die viel größere Klubs und auch zwei Obleute haben, „erschließt sich“für ihn „nicht“, warum es das bei der Liste Pilz brauche: „Da rennen sie ins nächste offene Messer.“Apropos Sauberkeit: Laut Presse hat Pilz auch ohne Mandat seit November ein Gehalt in der Höhe eines Abgeordnet­en bezogen, für das die Partei aufkam – zuerst aus Spenden, ab Ende Jänner über die Parteienfö­rderung. Zinggl zum STANDARD: „Das war mir bekannt, weil Pilz dieses Gehalt als unser Parteichef bezogen hat.“

Frage: Könnten sich fünf Abgeordnet­e abspalten und einen Klub gründen? Antwort: Nein. Denn in dieser Legislatur­periode darf es nicht mehr als fünf Klubs geben. Abgeordnet­e können nur aus einem Klub austreten und einer anderen Fraktion beitreten – oder als „wilde“Mandatare weitermach­en.

Frage: Und wieso sprach Rossmann von einem „geliehenen Mandat“für Bißmann? Antwort: Legt jemand sein Mandat zurück, ist der Verzicht endgültig. Das bedingte Mandat kennt die Verfassung nur bei Regierungs­mitglieder­n, so Zögernitz. Scheiden diese aus der Regierung aus, dürfen sie auf ihr Mandat zurückkehr­en – binnen acht Tagen.

 ??  ?? Ein Foto aus fröhlicher­en Tagen bei der Liste Pilz, nun droht die Zerreißpro­be: Im Bild (von links nach rechts) sind Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger, Alfred Noll, Maria Stern, Alma Zadić, Barbara Beclin, Stephanie Cox, Peter Kolba,...
Ein Foto aus fröhlicher­en Tagen bei der Liste Pilz, nun droht die Zerreißpro­be: Im Bild (von links nach rechts) sind Bruno Rossmann, Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger, Alfred Noll, Maria Stern, Alma Zadić, Barbara Beclin, Stephanie Cox, Peter Kolba,...

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