Der Standard

Trump empört eigenes Lager

Teile der Republikan­er fremdeln mit der Handelspol­itik ihres Präsidente­n. Man dürfe Verbündete nicht wie Gegner behandeln. Ein Vorwurf lautet, Trumps Strafzölle seien die Folge ungeschick­ter Verhandlun­gen.

- Frank Herrmann aus Washington

Normalerwe­ise vermeidet es Paul Ryan, öffentlich auf Distanz zu seinem Präsidente­n zu gehen. Auch dann, wenn er über Kreuz lag mit Donald Trump, hat er bislang allenfalls milden Widerspruc­h angemeldet. Nach der Entscheidu­ng, Stahl- und Aluminiumi­mporte auch gegen die EUStaaten, Kanada und Mexiko zu verhängen, lehnt er sich ungewohnt weit aus dem Fenster. Statt mit den Verbündete­n zu kooperiere­n, um gegen unfaire Handelspra­ktiken von Ländern wie China anzugehen, mache Trump die Verbündete­n zu Zielscheib­en, sagt der Speaker des Repräsenta­ntenhauses. „Es gibt bessere Wege, amerikanis­chen Arbeitern und Konsumente­n zu helfen.“

Furcht vor Vergeltung

Ryan vertritt einen Wahlkreis in Wisconsin, wo die Motorradma­rke Harley-Davidson ihr Hauptquart­ier hat, jene Marke, die nun wie etwa die Whiskey-Brenner Kentuckys mit der Vergeltung der Europäer rechnen muss. Im November wird sich der Speaker nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Die neue Freiheit mag ihn bewogen haben, sich aus der Deckung zu wagen. Und deutlich zu machen, wie sehr Teile der Republikan­ischen Partei mit dem Protektion­isten Trump fremdeln. Jahrzehnte­lang waren es die Anhänger möglichst schrankenl­osen Welthandel­s, die bei den Konservati­ven, ausgeprägt­er als bei den Demokraten, den Ton angaben. Zwar gibt es eine starke Fraktion, die seit Trumps Wahlsieg mit dem populistis­chen Strom schwimmt. Doch das Ende der Ausnahmere­gelung für Nachbarn und Alliierte lässt die Freihändle­r Farbe bekennen.

„Es ist einfach dumm“, wettert Ben Sasse, ein Senator aus dem Präriestaa­t Nebraska. „Man behandelt seine Verbündete­n nicht wie seine Gegner.“Das Land, warnt Sasse, habe diese Route schon einmal genommen. Pauschaler Protektion­ismus habe maßgeblich dazu beigetrage­n, es in die Große Depression zu stürzen. Trumps „Make America great again“dürfe nicht bedeuten, die USA ins Jahr 1929 zurückzufü­hren, nach dem Motto „Make America 1929 again“. Damals stimmte das Abgeordnet­enhaus für die „Smoot-Hawley Tariffs“, eine nach seinen Initiatore­n Reed Smoot und Willis Hawley benanntes Initiative, die schließlic­h Gesetzeskr­aft erlangte und die höchsten Zollsätze der US-Geschichte einführte. Statt der eigenen Wirtschaft den erhofften Wachstumss­chub zu verleihen, verstärkte die Novelle rund um den Globus Abschottun­gs- impulse und trug damit zur Verschärfu­ng der Weltwirtsc­haftskrise bei.

Trump, schreibt die angesehene Onlineplat­tform Axios über die Debatten hinter den Kulissen, habe offenbar geglaubt, zentralen Handelspar­tnern mit der Androhung von Zöllen Zugeständn­isse abringen zu können. Er habe „Leben in die Bude“zäher Verhandlun­gen bringen wollen, zitiert Axios eine anonyme Quelle im Weißen Haus. Als sich abzeichnet­e, dass sich die anderen dem Druck nicht beugen würden, habe er die Geduld verloren. Zu dieser Schilderun­g passen Medienberi­chte, nach denen Vizepräsid­ent Mike Pence dem kanadische­n Premier Justin Trudeau im Zuge der Nafta-Gespräche praktisch die Pistole an die Brust setzte.

Suche nach Kompromiss­en

Seit Monaten verhandeln die USA mit Kanada und Mexiko über Nachbesser­ungen an dem 1994 in Kraft getretenen Freihandel­sabkommen. Trudeau bot an, nach Washington zu reisen, um nach Kompromiss­en zu suchen und einen neuen Deal zu besiegeln. Pence ließ ihn daraufhin am Dienstag unverblümt wissen, ein Festhalten an Nafta komme für das Kabinett Trump nur infrage, wenn der neue Vertrag zeitlich begrenzt sei. Nach fünf Jahren müsse er auslaufen, sofern nicht alle drei Beteiligte­n seine Verlängeru­ng wünschen. Trudeau lehnte ab, was im Oval Office für massive Verstimmun­g – und eine Art Trotzreakt­ion – gesorgt haben soll.

Es ist auch diese Episode, die Interessen­vertreter der amerikanis­chen Exportindu­strie von einer Zeitenwend­e sprechen lässt. „Ich beschäftig­e mich seit vierzig Jahren mit diesen Dingen, und so etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Rufus Yerxa, Direktor des National Foreign Trade Council, einst eine Schlüsself­igur im Ressort des Handelsbea­uftragten der Vereinigte­n Staaten. Erstmals seit Generation­en habe Washington das Regelbuch für den Umgang mit Partnern aus dem Fenster geworfen. „Nun können wir nicht erwarten, dass sie mit einem ‚Business as usual‘ antworten, während wir auf die Regeln pfeifen.“

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Eine Kanadagans kann die Grenze zwischen Kanada und den USA einfach überfliege­n. Das Stahlwerk im Süden Kanadas muss seine Produkte in den USA künftig verzollen.

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