Medienmanager über ORF und Co
Direkt vor der Medienenquete der Regierung bringen die ProSiebenSat1Puls4-Manager Markus Breitenecker und Corinna Milborn ihre Ideen zu ORF, Youtube und Facebook als Buch heraus. Der ORF soll Programme Privater fördern und Social Media entwickeln.
„ Milborn: Man muss sich von der Idee lösen, dass man den eigenen schrumpfenden Kanal mit allen Mitteln verteidigt. Corinna “Milborn
Visionär und anstrebenswert fand Medienminister Gernot Blümel Markus Breiteneckers Ideen schon vor Monaten. Ende kommender Woche lädt Blümel zur Enquete über die künftige Medienpolitik. Pro Sieben Sat 1 Puls 4- Geschäftsführer Breiten ecke rund Pro Sieben Sat 1 Puls 4Info direktorin CorinnaMilborn präsentieren am Montag ihr Buch Ch angeTh eG ame (Verlag Brandstätter). Kein Lobbyingpapier eines privaten Medien hauses, sagt Breitenecker. Forderungen ähnelndem Positionspapier des Privat sender verbands.
Öffentliches Geld etwa – Rundfunkgebühr oder aus dem Bundesbudget – soll verstärkt an Private fließen, wenn sie Programme im öffentlichen Interesse produzieren. Der ORF soll sich stärker auf öffentlichrechtliche Kern programme, vor allem Info und Kultur, beschränken. Nach dem Motto: Was kein Privater machen will (oder kann), soll der Öffentlich-rechtliche machen – bei Public-Value-Programmen und auch bei Premiumsport oder Shows.
Standard: Stellen Sie sich vor, ich bin eine gute Fee, kann Ihre Ideen für die Medienbranche erfüllen. Wenn Sie mir kompakt erklären, was Sie wollen. Sie können sich auch vorstellen, ich bin Medienminister Blümel. Milborn: Besser die gute Fee. Das lässt sich nicht allein in Österreich lösen.
Breitenecker: Man muss Google und Facebook als Medienmonopole verstehen, erkennen, welche Gefahren von ihnen ausgehen, und daraus Konsequenzen ziehen. Der Newsfeed von Facebook und Autoplay von Youtube sind nach jeder Definition Medien. Facebook und Youtube müssen Verantwortung übernehmen dafür, was auf ihren Medienplattformen passiert. Zusätzlich bräuchte es Wettbewerb. Für Social-Media-Alternativen müssten sich die Medien in Europa zusammenschließen. Das wird nicht im Einzel- oder gar Konkurrenzkampf der heimischen Gartenzwerge funktionieren, sondern nur in europäischen Allianzen. Und indem wir die Idee öffentlich-rechtlicher Medien neu denken.
Standard: Sie wollen, dass öffentlich-rechtliche Anstalten mit Gebührengeld europäisches Facebook, Youtube, Google entwickeln? Breitenecker: Nachmachen wird nicht ausreichen, Öffentlich-rechtliche sollten zusammen mit Privaten die nächste Innova-
tionsstufe kofinanzieren, um eine europäische Social-Media-Plattform der nächsten Generation zu bauen.
Standard: Welche Wünsche darf ich als Gernot Blümel erfüllen? Breitenecker: Das Buch ist der Versuch, von der reinen Interessenspolitik wegzugehen. Das Buch beschreibt nicht die Agenda des Verbands österreichischer Privatsender für die Medienenquete.
Standard: Wie hat man sich Ihre Neudefinition des Öffentlich-rechtlichen vorzustellen?
Milborn: Das öffentlich-rechtliche System ist dafür da, möglichst viel Public Value herzustellen, möglichst viel Information und Kultur an die Bevölkerung zu bringen. Statt in Zeiten von on demand die lineare Programmierung öffentlich-rechtlicher Kanäle mit viel Geld und Energie zu verteidigen, sollte es um möglichst gute öffentlich-rechtliche Inhalte in der gesamten Medienlandschaft gehen. Die dafür zuständige Institution bekommt Punkte, wenn irgendwo Public Value läuft – auch wenn es nicht im eigenen Kanal ist und egal, ob in Radio oder Fernsehen, Print oder Online.
Standard: Der ORF produziert für Puls 4 oder ATV Programm? Breitenecker: Nein. Wir wollen, dass mit öffentlichem Geld, in dem Fall Rundfunkgebühren, möglichst viel Public Value auf möglichst allen Kanälen und von europäischen Anbietern erzeugt wird.
Standard: Und was tut der ORF nach Ihren Vorstellungen noch? Milborn: Wir sprechen nicht vom ORF, sondern von einem öffentlich-rechtlichen System für das 21. Jahrhundert. Der ORF lie- fert in klar definiertem Auftrag Information und Kultur mit eigenen Redaktionen und eigenen Produktionen und eigenen Kanälen. Er soll dafür sorgen, dass möglichst viel Public Value im Land und in Europa stattfindet. Und drittens in Innovation – europäische Social Media – investieren.
Standard: Zum Konkurrenzkampf der Gartenzwerge um Rechte: Man stelle sich vor, ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker plädiert in seinem Buch dafür, Gebührengeld einzusetzen, damit Premiumsport nicht im Pay-TV verschwindet.
Milborn: Wenn man sich darauf einigt, dass das Public Value ist. Fußballrechte sind nur ein Beispiel: Man muss sich als Gesellschaft darauf einigen, was produziert und gezeigt werden soll. Das kann Oper sein oder auch Skifahren, wenn es als identitätsstiftend identifiziert wird. Wenn man das etwa mit Sponsorengeldern privat finanzieren kann – umso besser.
Standard: Das klingt alles nach einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit weniger Sport, weniger Kauffilm und -serien, weniger Shows, aber mit viel Kultur und Information. Sie sagen, Sie wollen keine ORF-Kanäle privatisieren – aber vier TV- und 13 Radioprogramme dürfte der ORF dafür nicht mehr brauchen. Und sie nach Ihren Vorstellungen zu füllen ist jedenfalls nicht viel günstiger als bisher. Dabei soll Gebührengeld – weit mehr als bisher – zwischen ORF und Privaten aufgeteilt werden, und europaweit sollen Milliarden, auch aus Gebühren, in die Entwicklung neuer Social-MediaPlattformen gehen. Wie geht sich das denn aus?
Man muss sich von der Idee der 1950er- oder 1970er-Jahre lösen, dass man den eigenen schrumpfenden Kanal und seine Marktanteile mit allen Mitteln verteidigt. Das ist vorbei. Nicht heute, aber bald. Die treibende Kraft für Öffentlich-rechtliche müsste sein, möglichst viel möglichst gutes Programm zu machen oder zu ermöglichen, wie der ORF schon heute Kinofilme ermöglicht.
MARKUS BREITENECKER (49) baut für ProSiebenSat1 seit 1997 die heute größte private Fernsehgruppe ProSiebenSat1Puls4 auf, seit der ATV-Übernahme 2017 Marktführer beim Publikum bis 49 Jahre. CORINNA MILBORN (45) ist nach „Format“und „News“seit 2012 bei Puls 4 und heute Infodirektorin der ProSiebenSat1Puls4-Gruppe.
„ Facebook und Youtube müssen verantworten, was auf ihrer Medienplattform passiert. Markus “Breitenecker