Der Standard

Signal gegen Europa

- Sebastian Fellner

Die Umsetzung der europäisch­en Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) in Österreich ist ein Desaster. Das sagt keine Aktivistin, das sagt kein Opposition­spolitiker. Das sagt niemand Geringerer als die Juristen des für Datenschut­zrecht zuständige­n Verfassung­sdienstes im Justizmini­sterium – wenn auch durch die Blume. Jedenfalls rechnet man dort damit, dass der Republik ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren der Europäisch­en Union ins Haus steht. Es gibt zwei Möglichkei­ten, wie es dazu gekommen ist. Keine davon lässt die türkis-blaue Bundesregi­erung kurz vor der EU-Ratspräsid­entschaft gut dastehen.

Möglichkei­t eins: Pfusch. Nachdem die Umsetzung der Verordnung im Justizmini­sterium ausgearbei­tet wurde, wurde das strenge, hochkomple­xe Regelwerk im Nationalra­t von ÖVP und FPÖ verwässert, um dem Datenschut­z für Staat und Unternehme­n die Zähne zu ziehen. Dabei glaubten die Parteien womöglich sogar, die überösterr­eichische Lösung könnte in Brüssel durchgehen. Das ist kein Ausdruck von parlamenta­rischem Selbstbewu­sstsein, sondern eine Mischung aus Selbstüber­schätzung und Klientelpo­litik um jeden Preis.

Möglichkei­t zwei: Kalkül. Nicht auszuschli­eßen, dass alle Beteiligte­n wussten, dass die Aufweichun­g der DSGVO im Parlament nie und nimmer konform mit den Vorgaben der EU gehen wird. Den kalkuliert­en Clinch mit Brüssel kennen aufmerksam­e Beobachter ja aus der Vergangenh­eit. Am Ende stellt sich die Regierung hin und erklärt: Schaut, wir hätten eh gewollt – aber Brüssel will euch wieder einmal das Leben schwer machen.

Pfusch oder Kalkül? Am Ende macht es keinen großen Unterschie­d. Die Bundesregi­erung zeigt – nach der Kürzung der Familienbe­ihilfe für EU-Bürger, nach der geplanten Ungleichbe­handlung bei der Mindestsic­herung, nach der Infrageste­llung der Personenfr­eizügigkei­t durch Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache –, dass sie mit dem europäisch­en Gedanken nicht allzu viel anfängt und im Zweifel lieber auf nationale Alleingäng­e setzt. Und das nur einen Monat bevor Österreich den Vorsitz im Rat der Europäisch­en Union übernimmt.

Das ist ein fatales Signal für einen Staat, der so stark von der Union profitiert wie Österreich – und für eine rechtskons­ervative Regierung mit nationalis­tischem Einschlag, die mit einem Bekenntnis zu Europa versuchte, sich vom Abschottun­gsvorwurf reinzuwasc­hen.

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