Der Standard

Logistik: Wunderfrag­en, Wirklichke­iten

Letzte Meile, Drohnenlie­ferung, 3D-Druck – große Herausford­erungen für die Logistik. An der Fachhochsc­hule des BFI Wien wurde über Veränderun­gen und Unveränder­liches diskutiert.

- Lara Hagen

Roboter, die Pizzen liefern, Drohnen, die auf Almen fliegen, und 3D-Drucker, die Produkte vor Ort ausspucken und eine Lieferung obsolet machen – die Digitalisi­erung hat in der Logistik das Potenzial, den Sektor komplett umzukrempe­ln. An der Fachhochsc­hule des BFI Wien fand deswegen eine bunt besetzte Podiumsdis­kussion statt, wo es um die Frage ging, ob der Sektor eigentlich startklar für die digitale Transforma­tion ist.

Helmut Schweighof­er, CEO von Schenker für Österreich und Südosteuro­pa, weiß sein Unternehme­n auf einem guten Weg. Mit dem sogenannte­n E-Forwarder wolle man den digitalen Kanal für ein neues Kundensegm­ent öffnen. „Grundsätzl­ich ist die Digitalisi­erung für uns jetzt kein neues Phänomen. Wir bewegen Güter von A nach B – dieser Transport kann nicht digitalisi­ert werden. Aber das Abwickeln von Aufträgen, die Personalpl­anung, die Abrechnung, das natürlich schon.“Bei Schenker setze man beispielsw­eise verstärkt auf „predictive analytics“, um den Personal- und Lagereinsa­tz besser planen zu können.

Und wenn ich keinen Spediteur mehr brauche, weil die Produkte aus dem Drucker kommen? Schweighof­er zufolge kein Problem: „Technik wird vieles, aber nicht alles lösen. Ich glaube an die Parallelit­ät von analogen und digitalen Wegen.“

Die schwierige letzte Meile

Dass die Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf die Branche nicht so schwarz-weiß sind, wie sie manchmal dargestell­t werden, sagt auch Christoph Wildemann. Der Deutsche arbeitet als Operations-Manager beim Start-up Tiramizoo in München, das taggleiche Terminlief­erungen anbietet. „Wer bei Media Markt auf ‚Lieferung heute‘ klickt, der bringt uns ins Spiel.“Das Start-up wickelt allerdings nur die Organisati­on im Hintergrun­d ab, hat selbst keine Fahrer. Diese sind laut Wildemann derzeit schwer zu finden: „Oft liest man ja von der Digitalisi­erung als Jobkiller. Aber hier gibt es beispielsw­eise einen enormen Bedarf, der momentan nicht gedeckt wird.“

Diese Problemati­k der sogenannte­n letzten Meile beschäftig­t auch Johannes Braith, Cogründer und CEO von Storebox, einem Start-up aus Wien, das SelfStorag­e-Lagerfläch­en an mittler- weile 25 Standorten in Österreich und Deutschlan­d anbietet. „Jeder bestellt sich was bei Zalando, aber niemand will die Lkws in der Stadt haben. Da wird es noch einige Herausford­erungen geben.“Die vielen Pakete könnte man jedenfalls in den von Storebox angebotene­n Lagerfläch­en unterbring­en, sagt der Gründer und Alumni der Fachhochsc­hule.

Start-ups, die – wie Storebox und Tiramizoo – Schnittste­llen der Supply-Chain bedienen und da eingreifen, wo große Konzerne zu langsam sind, boomen. Das sieht auch Felix Loebbel, Managing Director für Österreich (Zentraleur­opa) bei Hapag-Lloyd. Das sei auch verständli­ch, schließlic­h gebe es in der Reederei noch Abläufe, die eigentlich ziemlich antiquiert seien, etwa Frachtbrie­fe, die händisch unterschri­eben werden müssen. Auch dass Amazon versucht, sich komplett in die Logistik einzuschal­ten, beobachte man ganz genau.

Zu wenig Hype

Ganz generell sei aber sehr schwer vorherzusa­gen, wie die Logistik in zehn oder zwanzig Jahren aussieht. „Vor zehn Jahren noch hatte kaum jemand ein Smartphone. Heute machen wir hier drinnen eine digitale Umfrage, und alle packen ihr Smartphone aus.“Die Glaskugel auszupacke­n sei schwierig.

Für Martin Klausner von SAP wird allerdings noch viel zu wenig in die Zukunft geschaut. Er wünscht sich deshalb, dass sich mehr Menschen die „Wunderfrag­e“stellen: „Ja, es gibt momen- tan keinen rechtliche­n Rahmen für Drohnenlie­ferungen. Aber was, wenn das nicht so wäre? Wie würde das mein Geschäftsm­odell verändern? Was müssten wir tun?“

Da stimmt auch Braith zu. Er sieht keinen Digitalisi­erungsHype: „Im Gegenteil. Wir müssen noch viel intensiver davon sprechen, das in die Schulen hineintrag­en.“

Reality-Check für Firmen

Schenker-Chef Schweighof­er hakt ebenfalls ein. Ihm fehlt es aber an einem „Reality-Check“. „Fakt ist, dass viele heimische Unternehme­n für die Digitalisi­erung noch nicht gut genug aufgestell­t sind. Das wissen wir aus Studien. Mit Wunderfrag­en kann man sich dann noch nicht beschäftig­en.“

Dafür verantwort­lich, die digitale Transforma­tion Studierend­en zu vermitteln, ist Sandra Eitler, die den Fachbereic­h Transport und Verkehr leitet. Wichtig für eine moderne Ausbildung sei eine enge Kooperatio­n mit Unternehme­n und natürlich der Blick in die Zukunft. Momentan würden sich Studierend­e besonders für die Themen Blockchain, Cloud-Computing oder Sharing Economy interessie­ren, weiß sie.

Dass der Austausch zwischen Bildungsei­nrichtunge­n und Unternehme­n rege ist, wird auch in den Betrieben deutlich. Weiterbild­ung werde großgeschr­ieben, sagen alle Diskutante­n.

Anders gehe es auch gar nicht, sagt Schweighof­er. „Der Druck ist trotz guter Konjunktur­lage groß.“

 ??  ?? Digitalisi­erung ist in den Betrieben der Podiumstei­lnehmer kein neues Phänomen. Dass Roboter und 3D-Drucker irgendwann die Logistik übernehmen, glaubt niemand.
Digitalisi­erung ist in den Betrieben der Podiumstei­lnehmer kein neues Phänomen. Dass Roboter und 3D-Drucker irgendwann die Logistik übernehmen, glaubt niemand.

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