Logistik: Wunderfragen, Wirklichkeiten
Letzte Meile, Drohnenlieferung, 3D-Druck – große Herausforderungen für die Logistik. An der Fachhochschule des BFI Wien wurde über Veränderungen und Unveränderliches diskutiert.
Roboter, die Pizzen liefern, Drohnen, die auf Almen fliegen, und 3D-Drucker, die Produkte vor Ort ausspucken und eine Lieferung obsolet machen – die Digitalisierung hat in der Logistik das Potenzial, den Sektor komplett umzukrempeln. An der Fachhochschule des BFI Wien fand deswegen eine bunt besetzte Podiumsdiskussion statt, wo es um die Frage ging, ob der Sektor eigentlich startklar für die digitale Transformation ist.
Helmut Schweighofer, CEO von Schenker für Österreich und Südosteuropa, weiß sein Unternehmen auf einem guten Weg. Mit dem sogenannten E-Forwarder wolle man den digitalen Kanal für ein neues Kundensegment öffnen. „Grundsätzlich ist die Digitalisierung für uns jetzt kein neues Phänomen. Wir bewegen Güter von A nach B – dieser Transport kann nicht digitalisiert werden. Aber das Abwickeln von Aufträgen, die Personalplanung, die Abrechnung, das natürlich schon.“Bei Schenker setze man beispielsweise verstärkt auf „predictive analytics“, um den Personal- und Lagereinsatz besser planen zu können.
Und wenn ich keinen Spediteur mehr brauche, weil die Produkte aus dem Drucker kommen? Schweighofer zufolge kein Problem: „Technik wird vieles, aber nicht alles lösen. Ich glaube an die Parallelität von analogen und digitalen Wegen.“
Die schwierige letzte Meile
Dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Branche nicht so schwarz-weiß sind, wie sie manchmal dargestellt werden, sagt auch Christoph Wildemann. Der Deutsche arbeitet als Operations-Manager beim Start-up Tiramizoo in München, das taggleiche Terminlieferungen anbietet. „Wer bei Media Markt auf ‚Lieferung heute‘ klickt, der bringt uns ins Spiel.“Das Start-up wickelt allerdings nur die Organisation im Hintergrund ab, hat selbst keine Fahrer. Diese sind laut Wildemann derzeit schwer zu finden: „Oft liest man ja von der Digitalisierung als Jobkiller. Aber hier gibt es beispielsweise einen enormen Bedarf, der momentan nicht gedeckt wird.“
Diese Problematik der sogenannten letzten Meile beschäftigt auch Johannes Braith, Cogründer und CEO von Storebox, einem Start-up aus Wien, das SelfStorage-Lagerflächen an mittler- weile 25 Standorten in Österreich und Deutschland anbietet. „Jeder bestellt sich was bei Zalando, aber niemand will die Lkws in der Stadt haben. Da wird es noch einige Herausforderungen geben.“Die vielen Pakete könnte man jedenfalls in den von Storebox angebotenen Lagerflächen unterbringen, sagt der Gründer und Alumni der Fachhochschule.
Start-ups, die – wie Storebox und Tiramizoo – Schnittstellen der Supply-Chain bedienen und da eingreifen, wo große Konzerne zu langsam sind, boomen. Das sieht auch Felix Loebbel, Managing Director für Österreich (Zentraleuropa) bei Hapag-Lloyd. Das sei auch verständlich, schließlich gebe es in der Reederei noch Abläufe, die eigentlich ziemlich antiquiert seien, etwa Frachtbriefe, die händisch unterschrieben werden müssen. Auch dass Amazon versucht, sich komplett in die Logistik einzuschalten, beobachte man ganz genau.
Zu wenig Hype
Ganz generell sei aber sehr schwer vorherzusagen, wie die Logistik in zehn oder zwanzig Jahren aussieht. „Vor zehn Jahren noch hatte kaum jemand ein Smartphone. Heute machen wir hier drinnen eine digitale Umfrage, und alle packen ihr Smartphone aus.“Die Glaskugel auszupacken sei schwierig.
Für Martin Klausner von SAP wird allerdings noch viel zu wenig in die Zukunft geschaut. Er wünscht sich deshalb, dass sich mehr Menschen die „Wunderfrage“stellen: „Ja, es gibt momen- tan keinen rechtlichen Rahmen für Drohnenlieferungen. Aber was, wenn das nicht so wäre? Wie würde das mein Geschäftsmodell verändern? Was müssten wir tun?“
Da stimmt auch Braith zu. Er sieht keinen DigitalisierungsHype: „Im Gegenteil. Wir müssen noch viel intensiver davon sprechen, das in die Schulen hineintragen.“
Reality-Check für Firmen
Schenker-Chef Schweighofer hakt ebenfalls ein. Ihm fehlt es aber an einem „Reality-Check“. „Fakt ist, dass viele heimische Unternehmen für die Digitalisierung noch nicht gut genug aufgestellt sind. Das wissen wir aus Studien. Mit Wunderfragen kann man sich dann noch nicht beschäftigen.“
Dafür verantwortlich, die digitale Transformation Studierenden zu vermitteln, ist Sandra Eitler, die den Fachbereich Transport und Verkehr leitet. Wichtig für eine moderne Ausbildung sei eine enge Kooperation mit Unternehmen und natürlich der Blick in die Zukunft. Momentan würden sich Studierende besonders für die Themen Blockchain, Cloud-Computing oder Sharing Economy interessieren, weiß sie.
Dass der Austausch zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen rege ist, wird auch in den Betrieben deutlich. Weiterbildung werde großgeschrieben, sagen alle Diskutanten.
Anders gehe es auch gar nicht, sagt Schweighofer. „Der Druck ist trotz guter Konjunkturlage groß.“