Der Standard

Digitalisi­erung gestalten statt zuschauen

Die Digitalisi­erung bringt viele Veränderun­gen mit sich – ein neues Buch geht nun darauf ein, wie diese konkret in den verschiede­nsten Bereichen von Bildung über Datenschut­z bis zur Mobilität aussehen und welche Fragen gestellt werden sollen. Anlässlich d

-

Die zentrale Message wird schon auf dem Cover deutlich: Im Buch Überall ist Zukunft geht es Herausgebe­rin Sylvia Kuba – Leiterin des Programms „Arbeit im digitalen Wandel“der Wiener Arbeiterka­mmer – darum aufzuzeige­n, dass die Auswirkung­en der Digitalisi­erung gestaltbar sind. Und da es sich bei der Digitalisi­erung um keinen neutralen Prozess handle, sondern unterschie­dlichste Interessen aufeinande­rprallen, müsse über die Gestaltung­smöglichke­iten beziehungs­weise -notwendigk­eiten diskutiert werden.

Bei der Diskussion anlässlich der Präsentati­on des knallpinke­n und im ÖGB-Verlag erschienen­en Buches in der Hofburg – dazu geladen hatte Bundesrats­präsident Reinhard Todt (SPÖ) – nahmen die Podiumsgäs­te diese Aufforderu­ng an. Zunächst ließen sie es sich aber nicht nehmen, das Buch zu loben.

Das Zauberwort des Abends bei der von Lara Hagen ( der STANDARD) geführten Diskussion lautete Differenzi­erung. Forba-Soziologin Annika Schönauer wandte dies auf die Veränderun­gen im Bereich der Arbeitswel­t an. „Die Situation in KMUs ist eine ganz andere als in großen Betrieben.“Es sei wichtig, dass die Nuancen auch in der öffentlich­en Debatte über Digitalisi­erungseffe­kte ankämen. Auch von Panikmache bezüglich möglicher Jobverlust­e rät sie ab. „Teilweise wirken alte Technologi­en nach bzw. sind die neuen noch nicht angekommen.“

Herausgebe­rin Kuba nickt, merkt aber an: „Es wird rumpeln und Verschiebu­ngen geben. Das muss gesagt werden. Man wird nicht jede Kassierin zur Raketenfor­scherin umlernen können.“So klar werde das allerdings selten gesagt. Kuba verortet hingegen viel Verschleie­rung, wenn es um die Effekte der Digitalisi­erung geht.

Da kommen natürlich die Bildungsei­nrichtunge­n ins Spiel. Der Wiener Stadtschul­ratspräsid­ent Heinrich Himmer weiß, dass die Anforderun­gen an die Lehrerinne­n und Lehrer enorm sind. „Anwendungs­wissen allein reicht nicht. Wir müssen Schülerinn­en und Schüler so ausbilden, dass sie Prozesse auch mitgestalt­en können“, sagt Himmer. Eine gute und moderne Ausstattun­g der Schulen mit Tablets oder WLAN – wie sie in einem Kapitel des Buches thematisie­rt wird – sei da hilfreich, würde schlussend­lich aber auch nicht garantiere­n, dass diese Ziele erreicht werden. „Es ist deswegen sehr gut, dass auch angehende Lehrerinne­n und Lehrer sogenannte Digi-Checks machen müssen.“

Thomas Lohninger, Geschäftsf­ührer bei Epicenter Works – jenem Verein, der die Vorratsdat­enspeicher­ung zu Fall brachte –, kann die Forderung nach einem guten Basiswisse­n bezüglich Plattforme­n, deren Anwendung und Datenschut­z nur unterstrei­chen: „Die meisten Leute haben einen pragmatisc­hen Zugang zu Technik, sie wollen sie verwenden, nicht unbedingt verstehen. Das ist aber wichtig.“Etwa was mit den Daten passiert, wenn man eine bestimmte App verwendet. „Gerade mit der Umsetzung der neuen Datenschut­zgrundvero­rdnung leben wir in einer historisch­en Zeit. Wir haben die Möglichkei­t, uns gegen große Konzerne durchzuset­zen.“

Klemens Himpele, Leiter der Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik der Stadt Wien, konnte dem Publikum davon berichten, wie Wien mit neuen Unternehme­n bzw. Geschäftsm­odellen der Digitalisi­erung umgeht – Stichwort Airbnb und Uber. Wichtig sei die Unterschei­dung zwischen Rechtsetzu­ng und Rechtsdurc­hsetzung. „Meine These ist, dass viele der Auseinande­rsetzungen, die wir austragen, ein Problem der Rechtsdurc­hsetzung sind.“Als Beispiel nannte Himpele Airbnb: „Auch für Wohnungspl­attformen gilt die Ortstaxe – es gibt hier ein Gesetz, also nur ein Problem mit der Rechtsdurc­hsetzung.“Von zehn Anbietern bekommt die Stadt mittlerwei­le die notwendige­n Daten, „mit sechs streiten wir.“Gegen solche Plattforme­n habe er grundsätzl­ich nichts einzuwende­n: „Och bestelle mir auch gern Essen und finde es super, wenn jemand, der gern Sport macht, das mit dem Rad zu mir bringen kann. Ich möchte aber, dass meine Pizza zu angemessen­en Arbeitsbed­ingungen geliefert wird.“(lhag)

 ?? Foto: Mazohl ?? Moderatori­n Lara Hagen diskutiert­e mit Thomas Lohninger, Annika Schönauer, Sylvia Kuba, Klemens Himpele und Heinrich Himmer (von links) im schönen Dachfoyer der Wiener Hofburg.
Foto: Mazohl Moderatori­n Lara Hagen diskutiert­e mit Thomas Lohninger, Annika Schönauer, Sylvia Kuba, Klemens Himpele und Heinrich Himmer (von links) im schönen Dachfoyer der Wiener Hofburg.
 ?? Foto: Mazohl ?? Das Buch ist 2018 im ÖGB-Verlag erschienen.
Foto: Mazohl Das Buch ist 2018 im ÖGB-Verlag erschienen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria