Der Standard

Warum das Känguru doch nach Österreich kam

Die Beziehung der Australier zu ihrer tierischen Ikone ist gespalten, wie Filmemache­r Michael McIntyre mit seiner polarisier­enden Dokumentat­ion zeigt. Das macht das Känguru zum meistgejag­ten Säugetier der Welt.

- Julia Schilly

Kaum ein anderes Tier ist so mit der Identität eines Landes verknüpft wie das Känguru mit Australien. Das Tier ziert die Maschinen der nationalen Fluglinie Qantas, die australisc­he Fußballman­nschaft wird als Anlehnung an die englische Bezeichnun­g „cangaroos“Socceroos genannt, und australisc­he Souvenirsh­ops kommen nicht ohne plüschiges Konterfei des hoppelnden Säugetiers aus. Gemeinsam mit dem Koala sind sie eng mit dem Bild von Australien­s wilder Tierwelt verknüpft. „Das zeigt sich aber nicht an in der Art und Weise, wie sie behandelt werden“, sagt Michael McIntyre im Gespräch mit dem STANDARD in Wien. Gemeinsam mit Kate McIntyre Clere hat er die kontrovers­iell diskutiert­e Dokumentat­ion Kagaroo – A Love-Hate Story gedreht und nun in Österreich erstmals gezeigt.

Keine andere terrestris­che Säugetiera­rt wird so intensiv bejagt. Die Filmemache­r arbeiten mit drastische­n Bildern, um weitverbre­itete Jagdprakti­ken vor Augen zu führen. Schon der Beginn der Dokumentat­ion zeigt, wie Kängurus wie in einem Computersp­iel in der Nacht abgeschoss­en werden. Eine Szene zeigt, wie nach einer exzessiven Wilderei Körperteil­e verstreut auf blutiger Erde liegen. Ein Schwerpunk­t liegt auf der Informatio­n über die Tötung der „Joeys“, so werden junge Kängurus in Australien genannt. Die „nationalen Verhaltens­richtlinie­n für das humane Schießen von Kängurus und Wallabys“sehen vor, dass die Jungtiere von geschossen­en Muttertier­en ebenfalls getötet werden. Auch wenn es human erscheint, dass sie nicht verhungern, wirken die Methoden nicht so. „Enthauptun­g, Einschlage­n des Schädels, Zertreten unter Schuhstief­eln“, zählt McIntyre die Praktiken auf, die er im Zuge seiner Recherche oftmals sah.

„Der Film polarisier­t“, räumt der Australier ein. Vor allem die australisc­he Fleischind­ustrie reagierte verstimmt. Jährlich werden Millionen Kängurus gejagt und ihr Fleisch und ihre Haut ins Ausland verkauft. Daraus ergibt sich ein lukrativer Geschäftsz­weig. Als gefährdet gilt das Beuteltier nicht. Laut offizielle­n Zahlen des nationalen Bauernverb­andes soll es 50 Millionen Kängurus in Australien geben. McIntyre hält diese Zahlen für unrealisti­sch und kritisiert die Zählmethod­ik.

Fleisch verunreini­gt

Aber nicht nur Verletzung­en des Tierwohls werden im Film bekrittelt. „Die Tiere werden in der Wildnis, nicht in einer ‚sicheren Umgebung‘ geschlacht­et. Das Fleisch am Markt ist sehr unhygienis­ch.“Dass diese Anschuldig­ung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigen etwa Tests in Russland. Schon vor Jahren wurde eine hohe Konzentrat­ion von E.coli-Bakterien in Kängurufle­isch gefunden. Das Land setzte daraufhin einen Importbann in Kraft, der bis heute gilt. Zudem würden unabhängig­e Tests von Kängurufle­isch im Einzelhand­el in Australien regelmäßig Kontaminat­ionen nachweisen.

Für Europa ist das Thema durchaus relevant: Denn Belgien, Frankreich, Deutschlan­d und die Niederland­e sind die weltweit größten Importeure von Kängurufle­isch mit jährlichen Gesamtmeng­en von bis zu 1000 Tonnen Fleisch, was etwa einer Million Tieren entspricht. Das Fleisch landet oft im Tierfutter und wird dort mit „other game animal“gekennzeic­hnet.

Auch in Wien muss man nicht lange nach Kängurupro­dukten suchen: Am Wiener Graben fand McIntyre in einer Filiale eines teuren Modelabels vier paar Schuhe aus Känguruled­er. Im Tierfachha­ndel gab es Kängurufle­isch für Katzen. „Ich glaube, viele Europäer sind sich gar nicht bewusst, unter welchen Bedingunge­n Kängurufle­isch produziert wird und welches Leid dahinterst­eckt“, sagt er.

Mit dem Film im Gepäck will er nun an die europäisch­e Politik appelliere­n, schärfere Bestimmung­en einzuführe­n. Im März wurde die Dokumentat­ion im EU-Parlament gezeigt. Auch mit einem Brief wollen sich Tierschütz­er an diese EU-Institutio­n wenden.

Keine invasive Art

„Wir waren überrascht, wie verhasst die Tiere bei den Bauern sind“, sagt McIntyre über die Situation in Australien. Konflikte entstehen, da sie Gras und teilweise die Ernte fressen. Er fordert, dass daran gearbeitet wird, dass Mensch und Tier nebeneinan­der leben können: „Das Känguru ist keine invasive Art. Es lebt seit Millionen Jahren auf dem Land, ohne das Ökosystem zu schädigen.“ Rote Erde und springende Kängurus: Viele verbinden mit diesen Bildern den australisc­hen Kontinent. Doch viele Bauern sehen das Tier als Schädling.

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