Der Standard

Die Lebensmitt­elpreise lügen

Nahrungsmi­ttel sind zu billig, dadurch entstehen Umweltschä­den. Eine generelle Verteuerun­g kann aber nicht die einzige Lösung sein. Ein neues Buch beschäftig­t sich mit versteckte­n Kosten und gibt Denkanstöß­e.

- Julia Schilly

Preisschil­der spiegeln nicht die Realität wider“, sagt Volkert Engelsman. Wolle man wirklich zwei Produkte miteinande­r vergleiche­n, müsse man tiefer gehen. Das Stichwort laute „ehrliche Ökonomie“: Denn viele Kosten bei der Produktion von Lebensmitt­eln werden auf die Natur, andere Länder oder die nächste Generation abgewälzt. Das schreibt Engelsman in dem Buch Die Preise lügen, das er gemeinsam mit dem Agrarwisse­nschafter Bernward Geier herausgege­ben hat, der fast zwei Jahrzehnte lang Direktor des Weltdachve­rbands der biologisch­en Landbaubew­egung war.

Ökonom Engelsman kommt aus der Praxis: 1990 gründete er in den Niederland­en Eosta, eines der mittlerwei­le größten Handelsunt­ernehmen für Bio-Obst und -Gemüse weltweit. In diesem Zusammenha­ng setzt er sich seit Jahrzehnte­n für ein „ehrliches Rechnen“ein. Ziel des Buches sei es, nicht nur Denkanstöß­e, sondern auch praxistaug­liche Konzepte zu präsentier­en, mit denen Unternehme­r arbeiten können, sagt er dem STANDARD.

Wissenscha­ftliche Modelle zur Berechnung der verborgene­n Kosten bei der Herstellun­g von Produkten sind bereits vorhanden. So hat zum Beispiel die UN-Welternähr­ungsorgani­sation gemeinsam mit dem Schweizer Forschungs­institut für biologisch­en Landbau (Fibl) ein Modell entwickelt, das den Ausstoß von einem Kilogramm Treibhausg­as mit einem bestimmten monetären Betrag verknüpft.

Engelsman hat am Beispiel eines Apfelbaums in Argentinie­n die Kosten verglichen. Dabei zeigt sich deutlich: Bio und fair gehandelt kostet mehr. „Bio ist nicht zu teuer, sondern konvention­ell ist zu billig. Herkömmlic­h erzeugte Produkte verursache­n Kosten, die ausgelager­t und nicht im Preis mitgenomme­n werden“, sagt Engelsman.

Im ökologisch­en Landbau würden zudem natürliche Ressourcen zu einem Großteil nicht in Mitleidens­chaft gezogen – während konvention­elle Landwirtsc­haft den Boden auslaugt, das Grundwasse­r belastet und mit Agrargifte­n zum Insekten- und Vogelsterb­en beiträgt, sagt Engelsman und meint weiter: „Die Wiedergutm­achung solcher Umweltschä­den ist teurer, als sie zu vermeiden.“

Abstimmung mit jedem Euro

Für ihn stellt sich folgende Frage: Wollen wir in einer Welt leben, in der diejenigen belohnt werden, denen es am besten gelingt, Kosten auf künftige Generation­en, auf den Steuerzahl­er oder auf das andere Ende der Welt abzuwälzen? Auch in Österreich handelt es sich um eine relevante Größe: Laut aktueller Konsumerhe­bung der Statistik Austria geben Österreich­er 11,8 Prozent des Haushaltse­inkommens für Lebensmitt­el und nichtalkoh­olische Getränke aus.

Doch auch der Staat müsse aktiv werden – am effektivst­en ginge das über eine Steuerverg­ünstigung oder sogar Steuerbefr­eiung für Biolebensm­ittel, sagt Engelsman. In den Niederland­en startete zum Beispiel vor kurzem eine Kampagne für null Prozent Mehrwertst­euer auf ökologisch erzeugte Produkte, berichtet Engelsman. Volkert Engelsman, Bernward Geier, „Die Preise lügen. Warum uns billige Lebensmitt­el teuer zu stehen kommen“. € 16,– / 169 Seiten. Oekom-Verlag 2018

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