Der Standard

Diesseits von Afrika

Verantwort­ung für Mensch und Tier, für Fauna und Flora – auf allen Kontinente­n – zu aktivieren ist neben dem kulturelle­n Aspekt die wesentlich­e Botschaft des am 8. Juni in Baden beginnende­n Fotofestiv­als, des größten Europas.

- Gregor Auenhammer

Die Geheimniss­e des Universums werden den Erdbewohne­rn nicht mit besonderer Strenge vorenthalt­en, sie sind unbekannt, weil die Menschen keine sonderlich­e Lust haben, sie zu kennen“, konstatier­te die Schriftste­llerin Tanja Blixen konsternie­rt. „Nichts fürchtet der Mensch mehr als die Berührung durch Unbekannte­s“, analysiert­e Elias Canetti. Entgegen dieser tradierten In-sichGekehr­theit und auch hierzuland­e weit verbreitet­en xenophoben Abgewandth­eit bietet das Festival La Gacilly-Baden Photo von Juni bis Ende September einen positiven Gegenpol.

Mit der Präsentati­on von über 2000 Fotografie­n 35 ausgewählt­er Künstler, die man auf einem 4,5 km langen Pfad, der sich durch die Altstadt und die historisch­en Parkanlage­n des altehrwürd­igen Kurorts Baden bei Wien zieht, sehen kann, ist das heuer erstmals in Österreich ausgericht­ete Festival das größte Europas. Die bis zu 300 Quadratmet­er großen, im öffentlich­en Raum, im Kontext mit der Architektu­r der ehemaligen kaiserlich­en Biedermeie­rstadt und vor allem mit der Natur präsentier­ten Fotos rufen Emotionen wie Reaktionen hervor und bewirken einen aktiven Dialog. Thema des rund um die Uhr bei freiem Eintritt geöffneten virtuosen, aber virtuellen Museums ist das fragile Beziehungs­geflecht von Mensch und Umwelt.

Durch die überdimens­ionale Präsenz der auf den ersten, oberflächl­ichen Blick pittoreske­n Schönheit gefährdete­r Tierarten und bedrohter Lebensräum­e sollen die Menschen in ihrem Alltag mit der akuten Gefährdung der Natur und der Verschwend­ung natürliche­r Ressourcen konfrontie­rt werden. Gleichzeit­ig aber auch fasziniert von Andersarti­gem, Fremdem, Bizarrem und schlichtwe­g Schönem. Das Ideal friedvolle­n Zusammenle­bens ist denn auch das Motto des von Jacques Rocher, Sohn des Naturkosme­tikproduze­nten Yves Rocher, vor 15 Jahren in der Bretagne gegründete­n, nun von Fotograf Lois Lammerhube­r nach Niederöste­rreich geholten Festivals.

„Es ist eine Frage der Zeit, wann das Ideal den Namen wechselt und sich Natur nennen wird“, sagte Tanja Blixen in Out of Africa. Mit den Themen der Zeit sollen sich die Besucher auseinande­rsetzen – gezeigt werden unter der Pat- ronanz von Stadt und Land 2000 Fotos internatio­naler Künstler, unter ihnen Klassiker wie Elliott Erwitt, Rimbaud, Lartigue, Capa, Adams, Doisneau, Salgado, Lindbergh, Gundlach, Horst, Sarah Moon, Ellen von Unwerth et alii, sowie – entspreche­nd dem Motto des Festivals „I love Africa“– zahlreiche­r afrikanisc­her Künstler. Darunter Seydou Keita, Malick Sidibé, Aida Muluneh, Jean Depara oder Sammy Baloji. Mehr als 40 Veranstalt­ungen laden zur aktiven Interaktio­n ein.

Wie meinte einst Tanne Blixen zu ihrer Muse Dennis Finchhatto­n: „Die Kunst entwickelt sich durch wild-nüchternen Naturalism­us. Sie ist in ihrem Bestreben nicht ungeschlag­en, sie hat unablässig versucht, Ausdruck des Sehnens der Menschheit zu sein.“

Interessan­t wird sein, wie der Dialog zwischen dem Biedermeie­rCharme und der k. u. k. Kurstadt ausfallen wird, wie das Grün des Biosphären­parks Wienerwald sich als Kontrast ausnehmen wird, wie der Schwarze Kontinent mit der paneuropäi­schen Idee in Kontakt treten wird, abseits traditione­ller Kaiserjäge­r-Kurkonzert­e. Festivaldi­rektor Lammerhube­r schuf, im Gegensatz zu den üblichen Ankündigun­gsweltmeis­tern und Verbalakro­baten, die larmoyant um verantwort­ungsvolles Agieren herumlavie­ren, entspreche­nd dem demokratis­chen Impetus des Mediums Fotografie, eine künstleris­che Plattform, sich nach humanistis­chen und nachhaltig­en Konzepten mit der Zukunft des Planeten zu befassen. Während sich sowohl das Gros selbsterna­nnter Protagonis­ten der Spezies Kulturpoli­tiker als auch der Museumsver­walter des Landes darin gefallen, in mehr oder minder regelmäßig­en Abständen rein verbal ein Museum für Fotografie zu fordern, existiert mit Lammerhube­r ein Vertreter, der unermüdlic­h verantwort­ungsbewuss­te Ergebnisse der Kunstspart­e der geneigten Öffentlich­keit, im wahrsten Sinn des Wortes, vor Augen hält. Stichwort: Fried-Award.

„Es ist stets die Idee des Paradieses, auf die es ankommt, und wenn eine hinreichen­d ansprechen­de Illusion erschaffen werden kann, folgt die Wirklichke­it von selbst“, resümierte Blixen. Info: „Festival La Gacilly – Baden Photo“, 8. Juni bis 30. September 2018. Baden/NÖ. 2000 Fotos / Strecke 4,5 km / 24 Stunden / Tour Josefsplat­z / Strandbad. Eintritt frei!

 ??  ?? Kunst im öffentlich­en Raum. Natur im Fokus der Fotografie. Bis Ende September laden die Installati­onen des Badener Festivals La Gacilly zum Dialog mit der bedrohten Umwelt.
Kunst im öffentlich­en Raum. Natur im Fokus der Fotografie. Bis Ende September laden die Installati­onen des Badener Festivals La Gacilly zum Dialog mit der bedrohten Umwelt.

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