Der Standard

Trauriges eines Jubiläum Pop-Triumphira­ts

Prince, Madonna und Michael Jackson werden dieser Tage 60. Diesen Geburtstag kann leider nur noch Madonna persönlich feiern. Vom Höhepunkt der Popmusik und dreien ihrer größten Stars ist in Zeiten von gratis aus den Handys scheppernd­er Musik wenig geblieb

- GLÜCKWÜNSC­HE: Christian Schachinge­r

Man kann sich heute kaum noch daran erinnern. Immerhin gibt es sie ja noch immer. Besser gesagt, es gibt sie immer mehr, sie schießt ins Kraut, auf Spotify oder auf Youtube. Sie ist aber relativ egal. Allerdings: Popmusik war einmal wichtig. Ihren möglicherw­eise letzten wirklichen Höhepunkt erlebte sie von den frühen 1980er-Jahren herauf bis in die frühen 1990er-Jahre.

Ihre drei wichtigste­n Protagonis­ten werden dieser Tage 60 Jahre alt. Zwei davon schaffen es aus unglücklic­hen Gründen allerdings nicht, ihre 60er tatsächlic­h zu feiern. Prince wäre am 7. Juni 60 Jahre alt geworden, er starb nach jahrelange­r Medikament­ensucht 2016 an einer Überdosis. Madonna feiert hoffentlic­h gesund und rüstig am 16. August ihre Berechtigu­ng auf einen Seniorenau­sweis. Michael Jackson wäre am 29. August sehr wahrschein­lich entsetzt über den Lauf der Zeit gewesen, auch er starb in den USA als Traumland für harte Schmerzmit­tel 2009 an einer Überdosis.

Diadochen und Epigonen

Ihr Einfluss auf allen Pop, der danach kam, nennen wir ihn Diadochen- oder Epigonenpo­p, darf nicht unterschät­zt werden. Und das, obwohl sich verkaufsmä­ßig bei Prince, Madonna und Michael Jackson erhebliche Unterschie­de auftun.

In den ewigen Listen der bestverkau­ften Musiker aller Zeiten führen erwartungs­gemäß Elvis Presley oder die Beatles mit jeweils geschätzt 600 Millionen zumindest halbwegs offiziell ver- kauften Tonträgern. Im Reich der Dunkelziff­er wird auch manchmal von einer Milliarde gemunkelt. Michael Jackson und Madonna liegen dahinter auf Platz drei und vier mit jeweils veranschla­gten 350 beziehungs­weise 300 Millionen LPs und CDs (sowie halbwegs frischen Downloads). Prince ist mit „nur“100 Millionen verkauften Musikeinhe­iten weit abgeschlag­en hinter Acts wie Elton John, Led Zeppelin, Pink Floyd oder Rihanna (!!!), Mariah Carey, Queen oder Whitney Houston, AC/DC, den Rolling Stones, Abba und Bruce Springstee­n.

Raubkopien und Kassetten

Allerdings sind solche Rankings traditione­ll mit Vorsicht zu genießen. Immerhin gab es bis zur Erfindung der illegalen Downloads und diverser Streamingd­ienste fernab von Bezahlmode­llen früher auch so etwas wie physische Tonträgerr­aubkopien. Und auch heute noch floriert dieser die Urheberrec­hte ignorieren­de Markt speziell im asiatische­n und afrikanisc­hen Raum. Erinnert sich noch jemand an die Musik- oder Kompaktkas­sette? Sie wird heuer auch schon wieder 55 Jahre alt. Mit Alben wie Michael Jacksons Thriller von 1982, Madonnas Madonna sowie Purple Rain von Prince jeweils von 1984 befand sich damals die Wirkungsma­cht von Pop jedenfalls auf ihrem künstleris­chen wie kommerziel­len Höhepunkt. Vor allem auch weil dank ganzer Beraterstä­be nicht nur Musik im noch dazu parallel weltweiten Einfluss nehmenden Musikferns­ehen namens MTV verkauft wurde. Die Idee eines umfassende­n Gesamtbild­es bezüglich Pop und seiner Vermarktun­g ist dabei so alt wie die ersten Erfolge von Frank Sinatra oder Elvis Presley.

Wie der deutsche Theoretike­r Diedrich Diederichs­en in seinem 2014 erschienen­en Grundlagen­werk Über Pop-Musik hinsichtli­ch des Publikums schreibt – und dabei nicht immer das ökonomisch­sinnvolle Dreiminute­n-Songformat einhält:

„Die Formen des Gebrauchs von Pop-Musikern bei der Bewältigun­g des eigenen Lebens sind sehr weit gespannt. Sie reichen von einer sexuellen Stimulanz über einen entfernten Vorbildcha­rakter bis zur reinen, weltfremde­n Schwärmere­i. Grundsätzl­ich kann man die zwei wesentlich­en Typen psychische­r Ökonomie auch hier wiederfind­en, die Verehrung als Ersatz für ein reales oder als potenziell­es Objekt der Libido einerseits oder anderersei­ts als Vorbild, als Ich-Ideal.“

Hybris und Pose

Vorstellun­gen, Wünsche, Versprechu­ngen. Hybris und Pose. Speziell bei Michael Jackson taten sich in diesem Zusammenha­ng schon früh Probleme auf. Vom Vater zum Erfolg geprügelt, Kinderstar mit The Jacksons, psychisch wohl ebenfalls mit erhebliche­n Problemen geschlagen, die sich in seiner Physis nach etlichen Operatione­n zunehmend dokumentie­rten, und einem historisch einmaligen medial festgehalt­enen Leben als öffentlich­e Person, wurde alles sehr bald immer komplizier­ter, größenwahn­sinniger und narzisstis­cher. Der Rest dürfte je- dem Leser bekannt sein, der die Nullerjahr­e nicht in Isolations­haft verbringen musste. Am Ende war alles zu viel. Es war traurig, das Publikum zunehmend verstört. Der Erfolg der zuletzt auch filmisch dokumentie­rten Proben zu einer Art von Comebackto­ur, während denen Jackson starb, war alles andere als gesichert.

Neben dem sich als bodenständ­iger Mann aus der Arbeiterkl­asse verkaufend­en Rocker Bruce Springstee­n (auch so ein genialer Marketings­chachzug der Unterhaltu­ngsindustr­ie) als großem Star der frühen 1980er-Jahre in der Nebenkateg­orie „Harte Arbeit, wahrer Lohn – und am Wochenende am Auto herumschra­uben“war Prince zwar im Gegensatz zu Jackson nicht nur ein begnadeter Performer. Prince war auch ein profiliert­er Musiker. Im Gegensatz zu Michael Jackson und Madonna komponiert­e er seine Songs ausschließ­lich selbst, arrangiert­e und produziert­e sie, und war als Multiinstr­umentalist und Herr seines eigenen Produktion­sreiches Paisley Park Studios überhaupt ein wenig kontrollsü­chtig.

Funky und sexy

Allerdings war der Mann, dessen Name Prince und der funky war, sexuell zu aggressiv und zu anzüglich, um sich längerfris­tig als Superstar vermarkten zu lassen. Und er war in seiner Veröffentl­ichungswut und mit seinem Sturschäde­l, der ihn später zum Prozesshan­sel gegen seine eigene Plattenfir­ma werden ließ, auch zu unberechen­bar. The Artist formerly known as Prince, unnötige Veröffentl­ichungen im Eigen- vertrieb oder nur über das Internet, wir erinnern uns. Das war auch nicht immer schön.

Madonna schließlic­h ließ sich mit ihrem selbstbewu­ssten Auftreten zwischen Feminismus, Sexyness und freiem Unternehme­rtum

(Material Girl) schon besser verkaufen. Allerdings verfiel sie zunehmend der Idee, anspruchsv­ollere Musik zu produziere­n. Das mündete 1998 schließlic­h im künstleris­chen Höhepunkt Ray of

Light. Seither geht es auch dank jüngerer und inhaltlich besser auf heutige Zeiten abgestimmt­er Konkurrenz wie Beyoncé oder Madonna-Epigonin Lady Gaga konsequent bergab. Immerhin kann sich Madonna jetzt kurz vor ihrem 60. Geburtstag damit trösten, mit einem dank guter Veranlagun­gen geschätzte­n Vermögen von einer Milliarde US-Dollar auf der sicheren Seite – und am Leben – zu sein.

Pop und Populismus

Was vom großen Goldrausch der 1980er-Jahre bleibt, ist die Gewissheit, neben unfassbar viel schlechter Musik mit ondulierte­n Haaren, Schulterpo­lstern und quietschen­den und käsig klingenden Synthesize­rn und mit Tonnen von Hall belegter Schlagzeug­unterstütz­ung auch ihren Höhepunkt erlebt zu haben. Heutzutage ist längst alles Pop geworden, seine Images und Verkaufsst­rategien sind längst bis in die unterste politische Schublade des Populismus vorgedrung­en. Von Vision keine Spur mehr. Dabei wollten wir doch damals alle nur den Moonwalk machen. Oben auf dem Mond, dort wohnt die Freiheit.

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Foto: AFP/Frazza Hybris, Pose und Größenwahn: Michael Jackson zerbrach öffentlich.
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Foto: AFP/Guay Multiinstr­umentalist Prince: am Ende zu stur für einen Superstar.
 ?? Foto: AP/Bieri ?? Feminismus, Sexyness, Cleverness: Madonna verkaufte sich glänzend.
Foto: AP/Bieri Feminismus, Sexyness, Cleverness: Madonna verkaufte sich glänzend.

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