Der Standard

Reisfelder in Gerasdorf

Aus einer „b’soffenen“Idee entstand in Gerasdorf ein in Österreich noch seltenes Geschäftsm­odell: Seit einigen Jahren wächst hier neben Spargel auch Reis. Anders als in Asien werden die Reisfelder jedoch nicht geflutet.

- Nora Laufer

Kein Strohhut, keine Gummistief­el und kein Erntesack. Gregor Neumeyer erinnert im ersten Moment nicht an einen Reisbauern. Auch seine Anbaufläch­en unterschei­den sich stark von den Postkarten­motiven aus Indonesien oder Vietnam. Tatsächlic­h steht Neumeyer mit Hemd und schicken Schuhen nicht irgendwo in Asien, sondern auf seinem Reisfeld mitten im niederöste­rreichisch­en Gerasdorf. „Begonnen hat alles mit einer b’soffenen Geschichte in einem Pub“, sagt der Niederöste­rreicher und kratzt sich am Kopf. Hinter ihm hoppeln drei Hasen über das Feld.

Der 30-Jährige ist gerade von seinem Bürojob aus Wien zurückgeko­mmen, wo er als Programmie­rer für eine Versicheru­ng arbeitet. Nur abends und an freien Tagen kümmert sich Neumeyer um die Landwirtsc­haft, die er von seinen Eltern übernommen hat.

Entstanden ist die Idee vor gut drei Jahren. Damals saß der Landwirt mit einem Kollegen zusammen, es wurde gebechert, und irgendwann sprach man über Reisanbau. „Ich hatte das Bild von gefluteten Reisfelder­n im Kopf.“Erst dann hat der Programmie­rer mit der Recherche begonnen und ist dabei auf die Trockenrei­sanbaumeth­ode gestoßen. Anders als in vielen Ländern Asiens werden Neumeyers Reisfelder nicht mit Wasser geflutet. Nur 20 Prozent der Reiskörner werden weltweit mit dieser Methode gezüchtet.

Erträge schwanken stark

Heuer wird das Feld zwischen der Gerasdorfe­r Hauptstraß­e, dem Marchfeldk­anal und unzähligen Spargeläck­ern bereits zum vierten Mal bepflanzt. „Der Reis ist seit Mitte April auf dem Feld“, sagt der Bauer und blickt über die kleinen Pflanzen, die giftgrün alle paar Zentimeter aus der Erde ragen.

Die Erträge schwankten bisher stark. „Im ersten Jahr haben wir nur eine Handvoll Reis geerntet“, sagt Neumeyer: „Da wollten wir schon aufhören.“Aufgegeben hat der Landwirt dennoch nicht. Die Mini-Ernte wurde zum Zucchiniri­sotto, Neumeyer tüftelte weiter, wechselte die Sorte und erntete ein Jahr später drei Tonnen Mittelkorn­reis.

2017 ist dem Reisbauern dann das Klima in den Weg gekommen. Wegen der lange anhaltende­n Kälte konnte der Bauer erst im Mai aussäen, kalte Nächte im August zerstörten 80 Prozent der Ernte. „Das ganze Feld war grau, das war zum Weinen.“Aber auch nach dem zweiten Niederschl­ag ließ sich der Landwirt nicht kleinkrieg­en. Der Reis wurde „Der Tapfere“genannt, die tausend produziert­en Flaschen waren innerhalb von zehn Stunden ausverkauf­t.

Heuer hat sich der Gerasdorfe­r mehrere Landwirte an Bord geholt, die nun insgesamt zehn Hektar Reis bewirtscha­ften. Verkauft werden sie unter Neumeyers Label ÖsterReis, der Kilopreis liegt bei rund 13 Euro.

Der regionale Anbau ist um einiges teurer als importiert­e Ware, verteidigt Neumeyer den gesalzenen Preis. Außerdem sei der Ertrag bei der Nassreisme­thode um ein vielfaches höher. Abnehmer für ÖsterReis findet er dennoch. 80 Prozent der Ware werden direkt verkauft, entweder ab Hof oder über den Onlineshop. Die restlichen 20 Prozent landen im Delikatess­enhandel und in der Gastronomi­e – wie etwa bei einem Wirt in Gerasdorf.

Transportw­ege kürzen

Auch die ökologisch­en Vorteile der lokalen Reisproduk­tion seien nicht zu unterschät­zen, meint der Landwirt: Transportw­ege werden eingespart, auch die Methanbela­stung von trocken angebautem Reis sei im Gegensatz zu Nassreis gering. ÖsterReis ist nach Angaben des Geschäftsf­ührers auch nicht arsenbelas­tet.

Einmal geerntet, muss der Reis getrocknet werden. Erst dann landet das Getreide in der „Waschmasch­ine“, wie Neumeyer die japani- sche Reismühle nennt. In dem Gerät, das mit seinen weißen Drehregler­n und Knöpfen tatsächlic­h ein wenig einer überdimens­ionalen Waschmasch­ine gleicht, wird der Reis entspelzt, also aus seiner Hülle herausgelö­st. Je nach Sorte werden die Körner anschließe­nd poliert.

„Mit dem Abfall kann man ziemlich viel machen“, schreit Neumeyer über das laute Rattern der Maschine hinweg. Die Kleie etwa wird als Nahrungser­gänzungsmi­ttel vertrieben. Die Spelzen landen bei einem Unternehme­n in Niederöste­rreich, das sie als Füllmateri­al für Feuerwerks­körper verwendet.

„Ich lerne jedes Jahr dazu“, sagt Neumeyer. Er hofft, sich in einigen Jahren ganz dem Reis widmen zu können. Derzeit arbeitet der Niederöste­rreicher mit mehreren Forschungs­einrichtun­gen zusammen, um Wissen über das Korn zu sammeln. Dieses sei für eine gute Ernte notwendig: „Der Reis ist wirklich eine Diva.“Während das Getreide im ersten Wachstumss­tadium empfindlic­h ist, wird es bis zur Ernte im September extrem robust. Neben Kälte und Trockenhei­t muss das Rispengetr­eide auch vor wucherndem Unkraut geschützt werden – der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n ist im Reisanbau in Österreich nicht zugelassen.

Auch in anderen Bundesländ­ern, wie etwa dem Burgenland oder der Steiermark, wird das Getreide bereits kultiviert. Als Konkurrenz empfindet Neumeyer die anderen Reisbauern nicht. Er ist vielmehr auf der Suche nach weiteren Landwirten, die auf ihren Flächen Reis anbauen möchten.

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Gregor Neumeyer auf seinem Reisfeld in Gerasdorf. Durch die Trockenanb­aumethode benötigt das Getreide in etwa gleich viel Wasser wie der Spargel, der auf dem Nachbarack­er wächst.
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Foto: Standard/ Laufer In dieser Mühle wird der Reis entspelzt und poliert.

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