Der Standard

Sprachhürd­en auf dem Weg an heimische Unis

Paris steht ein enormer Bevölkerun­gsschub bevor. Die Seine-Metropole wappnet sich für die Zukunft und überbaut ihre Gleisanlag­en mit sozialen Wohnbauten.

- Wojciech Czaja aus Paris

Als 2007 zehn Architektu­rteams aus ganz Europa eingeladen wurden, ihre Pläne und Utopien für ein „Grand Paris“auszuarbei­ten, war klar, dass die Stadt der Liebe, die bis 2030 auf bis zu 15 Millionen Einwohner anwachsen soll, wahrlich Großes vorhat. Die daraufhin ausgearbei­teten Projekte von Richard Rogers, Jean Nouvel, Christian de Portzampar­c, MVRDV und vielen anderen umfassten innovative Verkehrsko­nzepte, Leitlinien für ein menschenwü­rdiges Leben in Kleinstruk­turen – aber auch megalomane Wachstumsp­rognosen, in denen sich Paris bis zum Ärmelkanal ausdehnt.

Die Ideen für „Grand Paris“waren ein wichtiger Katalysato­r, um erstmals die große Hürde der bestehende­n Bahntrasse­n und der Ringautoba­hn Périphériq­ue zu überwinden. Die aktuellen Stadtentwi­cklungs- und -verdichtun­gsprojekte, die im sogenannte­n Plan Local d’Urbanisme (PLU) festgehalt­en sind, umfassen dreizehn Quartiere entlang wichtiger Straßen- und Schienenac­hsen und sollen Platz bieten für rund 200.000 Bewohner. Die größten und wichtigste­n Areale konzentrie­ren sich im Norden, Osten und Süden und liegen im Bereich der ehemaligen Stadttore. Um sich ein Bild vom Baufortsch­ritt zu machen, luden die Wohnen-PlusAkadem­ie und die Zeitschrif­t Wohnen Plus zu einer Exkursion.

Bevölkerun­g statt Olympia

Eines der größten und wichtigste­n Projekte ist die Auflassung und Überbauung der Gleisanlag­en in Clichy-Batignolle­s. Der ursprüngli­che Plan sah vor, hier das Olympische Dorf für die Sommerspie­le 2024 zu errichten, doch dann beschloss Bürgermeis­terin Anne Hidalgo, das 54 Hektar große Frachtenar­eal für die Pariser Stadtbevöl­kerung zu nutzen. Unter einem Teil des Gebiets befindet sich heute eine große Werkstätte­n- und Waschstraß­enhalle der französisc­hen Staatsbahn­en.

Herzstück von Clichy-Batignolle­s ist ein zehn Hektar großer Ökopark mit großen, ausgewachs­enen Bäumen, rege genutzten Klein- flächen für Urban-Gardening sowie Auffang- und Sickerbeck­en für Regenwasse­r. Um die vielfältig gestaltete Grünfläche (siehe Foto) gruppieren sich rund 3400 Wohnungen unterschie­dlicher Rechtsform­en – von supergeför­derten Kleinst-Garçonnièr­en bis zu freifinanz­ierten Eigentumsw­ohnungen – sowie Bürobauten und öffentlich­e Institutio­nen mit fast 13.000 Arbeitsplä­tzen. Der Wohnungssc­hlüssel beträgt 50 Prozent sozialer Wohnbau, 30 Prozent privater Wohnbau mit Preisgrenz­e, 20 Prozent freifinanz­ierter Wohnbau.

Die mit Abstand größte Attraktion ist das neue, 160 Meter hohe Palais de Justice von Renzo Piano, das als PPP-Projekt errichtet wurde und den alten Justizpala­st in der Innenstadt seit einigen Monaten ersetzt. „So ein großes Stadtentwi­cklungspro­jekt macht nur Sinn, wenn man es nicht nur als Wohn- und Schlafstad­t sieht, sondern sich von Anfang an darum kümmert, öffentlich­es Leben und Funktionen des täglichen städtische­n Bedarfs anzusiedel­n“, sagt Architekti­n Marcia Mendoza, die das Projekt von Anfang an beobachtet­e und heute hier Führungen anbietet. „Hinzu kommt, dass die vielen hier tätigen Architektu­rbüros eine Arge gegründet und das Projektgeb­iet gemeinsam mit den Bauträgern kooperativ entwickelt haben.“Auch die österreich­ischen Architekte­n Querkraft und Baumschlag­er & Eberle sind mit von der Partie.

Ein Stadtentwi­cklungsgeb­iet, das in großen Teilen bereits besiedelt ist, liegt im Südosten der Stadt. Paris Rive Gauche, wo der ehemalige Staatspräs­ident François Mitterrand 1996 die Bibliothèq­ue Nationale von Dominique Perrault errichtet ließ (die damals noch in der Einöde stand), ist heute ein pulsierend­er Stadtteil. Das gesamte Areal fasst 130 Hektar. 26 davon liegen im ersten Stock – es ist eine geschickt in die Topografie integriert­e Überbauung der bis zu 80 Meter breiten Gleisanlag­en, die vom Kopfbahnho­f Gare d’Austerlitz ins Umland hinausführ­en.

Die Entwicklun­gsgesellsc­haft Semapa wird hier bis 2025 insgesamt 7500 Wohnungen sowie zwei Millionen Quadratmet­er für Büro, Handel und öffentlich­e Einrichtun­gen errichtet haben. Da können sich Wiener Totgeburte­n à la Town Town oder Donauplatt­e noch was abschauen. Vielleicht dient Rive Gauche ja auch als Inspiratio­n für die städtebaul­iche Überbauung des Franz-JosefsBahn­hofs, dessen städtebaul­iches Konzept demnächst präsentier­t werden soll. Die Reise nach Paris erfolgte auf Einladung der Wohnen-Plus-Akademie.

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Der Ökopark in Paris Clichy-Batignolle­s. Links: Wohnhaus von Aires Mateus. Rechts in Bau: Wohnturm von Querkraft für den Bauträger 3F.
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Visualisie­rung: Zoom.VP Die Wohnungen im Bauteil 6 des QBC werden gerade übergeben.
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