Der Standard

Streit um Lobautunne­l

Verkehrsex­perte Werner Rosinak widerspric­ht der Kritik seines Kollegen Hermann Knoflacher, wonach das Bauprojekt Wien abwerte. „Das Risiko der Unterlassu­ng ist größer als das Risiko des Tunnels.“

- David Krutzler

Für den einen droht Wien eine Abwertung, für den anderen nicht: In Sachen Lobautunne­l geraten Verkehrsex­perten aneinander.

Die Wiener Nordostumf­ahrung inklusive Lobautunne­l, die den Autobahnri­ng um Wien schließen soll, spaltet nicht nur die Wiener Stadtregie­rung. Während die SPÖ mit Bürgermeis­ter Michael Ludwig hinter dem, laut Autobahnbe­treiber Asfinag, 1,9 Milliarden Euro teuren Straßenbau­projekt steht, bringt das den grünen Koalitions­partner auf die Barrikaden. Geplant sind Straßenakt­ionen gegen den Tunnel unter dem Nationalpa­rk, es wird vor der Austrocknu­ng von Teilen der Lobau gewarnt, eine Kampagne namens „Nobau“wurde von der Partei gegründet.

Die grüne Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou sieht ihre Ablehnung von einer Studie untermauer­t, zu der auch Verkehrspl­aner Hermann Knoflacher seine Expertise beigetrage­n hat. Knoflacher selbst sagte vergangene Woche: „Wenn ich Wien schaden will, wäre der Lobautunne­l die wirksamste Maßnahme.“Er bezog sich auf mögliche wirtschaft­liche, ökologisch­e und soziale Nachteile für die Stadt. So könnten etwa im Umland Wiens nahe der S1 Shoppingce­nter und Gewerbegeb­iete entstehen und die Stadt abwerten.

Zwei Studien, zwei Resultate

Knoflacher­s Branchenko­llege Werner Rosinak arbeitete in einem von Vassilakou beauftragt­en internatio­nalen Gremium ebenfalls an einer Studie zum Tunnel. Diese kam zu einem völlig konträren Ergebnis: Der Lobautunne­l ist demnach alternativ­los.

Rosinak kritisiert im Gespräch mit dem STANDARD Knoflacher heftig. In Anlehnung an dessen Aussage sagte Rosinak: „Knoflacher schadet Wien.“Laut Knoflacher verhindere der Bau der S1 samt Tunnel die zielorient­ierte Entwicklun­g im 22. Bezirk, meint Rosinak. „Theorie und Empirie sagen aber das glatte Gegenteil.“

Wenn die Stadtregie­rung Zuzug und Stadtentwi­cklung wolle, brauche es auch das Straßenver­kehrsproje­kt. „Sonst muss das mit der Stadtentwi­cklungspol­itik noch einmal gründlich überdacht werden“, sagt Rosinak – und nahm damit auch die Grünen in die Pflicht, die das Verkehrs- und Planungsre­ssort verantwort­en.

In diesem Zusammenha­ng verwies Rosinak auch auf den Regierungs­pakt von Rot-Grün, der ein Bekenntnis zu einer sechsten Donauqueru­ng vorsieht. Die Prüfung einer alternativ­en Variante würde erneut rund 15 Jahre Zeit kosten. „Ich würde nicht neu anfangen“, sagt Rosinak. So viel besser könne das neue, noch zu entwickeln­de Projekt gar nicht sein.

Verkehrsko­llaps droht

Entscheide­nd sei die Abwägung von Risiken des Tunnelproj­ekts für Wien – in Punkten wie Wirtschaft, Ökologie, Verkehrsen­tlastung oder Lebensqual­ität. Das Ergebnis ist für Rosinak klar: „Das Risiko der Unterlassu­ng ist größer als das Risiko des Tunnels.“Wird der Tunnel nicht gebaut, sei ein Verkehrsko­llaps unvermeidl­ich.

Einig ist sich Rosinak mit Knoflacher aber darin, dass es in Transdanub­ien mehr braucht als nur den Tunnel: Unbedingt nötig seien für eine Verkehrsen­tlastung auch ein massiver Ausbau von Öffis und Radwegen, Begegnungs­zonen oder eine Ausweitung des Parkpicker­ls. Knoflacher­s Aussage, wonach Straßen Verkehr erzeugen, ist laut Rosinak aber „völliger Unsinn. Es gilt ja auch nicht, dass Waschmasch­inen schmutzige Wäsche erzeugen – oder Krankenhäu­ser Kranke.“

Das Bundesverw­altungsger­icht bestätigte im Frühjahr in zweiter Instanz den positiven UVP-Bescheid für das S1-Projekt samt Tunnel. Ausständig sind aber noch weitere Genehmigun­gen für Naturschut­z- und Wasserrech­t. Diese müssen von Wien und Niederöste­rreich bewilligt werden. Einsprüche gegen diese Entscheidu­ngen sind möglich. Die Asfinag rechnet damit, dass das Projekt im besten Fall Ende 2018 durch ist. Der Bau soll Ende 2019 starten.

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Hier im Bereich Groß-Enzersdorf ist die Trassenfüh­rung des Lobautunne­ls geplant. Noch fehlen nötige Bewilligun­gen.

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