Der Standard

Festival ohne Intendanz

Kaum sind die Wiener Festwochen 2018 zu Ende gegangen, da verlässt ihr umstritten­er Intendant Tomas Zierhofer-Kin nach zwei Jahren schon wieder die Kommandobr­ücke.

- Ronald Pohl

Tomas Zierhofer-Kin löst nach nur zwei Jahren seinen Vertrag als Festwochen-Intendant einvernehm­lich auf.

Am Montag waren die Wiener Festwochen 2018 im Theater an der Wien zu Ende gegangen. Die Frauen Trojas hatten ein letztes Mal auf Koreanisch ihr Leid beklagt (Trojan Women). Tags darauf wurde Intendant Tomas Zierhofer-Kin, drei Jahre vor Ablauf seines Vertrages, von seinen Leitungsau­fgaben entbunden.

Der Kontrakt wird ausdrückli­ch einvernehm­lich per 30. Juni aufgelöst. Vorausgega­ngen war der Entscheidu­ng ein gemeinsame­s Gespräch mit dem Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Rudolf Scholten, mit Festwochen-Geschäftsf­ührer Wolfgang Wais und der neuen Kulturstad­trätin Veronica Kaup-Hasler. Das „Wording“aller Beteiligte­n, als schmucklos­e Aussendung in die Welt hinaus entlassen, verrät das sorgsame Bemühen um eine möglichst gleichlaut­ende Einschätzu­ng der Ereignisse.

„Ich habe diesen Vorschlag der Kulturstad­trätin unterbreit­et, da ich trotz vieler künstleris­cher Erfolge und der gelungenen Bemühungen, ein für die Festwochen neues Publikum zu gewinnen, auf keine breitere Resonanz gestoßen bin“, wird Zierhofer-Kin zitiert. Seine Entscheidu­ng sei „Ausdruck meiner Verantwort­ung, die ich insbesonde­re gegenüber den internatio­nalen KünstlerIn­nen sowie den Wiener Festwochen, die aus meiner Sicht ungerechtf­ertigter Kritik ausgesetzt waren, wahrnehme“.

Aus Zierhofer-Kins Abschiedsz­eilen spricht nicht so sehr die Stimme eines Resigniert­en als der Trotz des Überzeugun­gstäters, der sich vom Unverstand der anderen in seiner Arbeit behindert sieht. Veronica Kaup-Haslers Statement nimmt sich demgegenüb­er kalmierend aus. Die frischgeba- ckene Kulturstad­trätin betont, die Entscheidu­ng sei „in einem konsensual­en Gespräch getroffen“worden.

Kaup-Hasler kenne ZierhoferK­in persönlich seit langem und schätze seine Arbeit: „Wir teilen das Interesse an einer Kunst, die nicht nur reproduzie­rend ist, sondern auch in neue Terrains vordringt. Ich weiß, was eine derartige Neuorienti­erung, die ZierhoferK­in vorgenomme­n hat, auf allen Ebenen bedeutet.“Grüblerisc­her Nachsatz: „Jetzt gilt es darüber nachzudenk­en, die Wiener Festwochen weiterhin als innovative­s und strahlende­s Festival zu positionie­ren.“

Auch die anderen Beteiligte­n zahlen tapfer ins Phrasensch­wein ein. Wolfgang Wais: „Ich bedauere diesen Schritt und nehme Tomas Zierhofer-Kins Entscheidu­ng, der ich mit großem Respekt und außerorden­tlicher Wertschätz­ung begegne, zur Kenntnis.“Offenbar kann man auch für die Demission eines Kompagnons außerorden­tliche Wertschätz­ung hegen. Rudolf Scholten: „Ich danke Tomas Zierhofer-Kin für den mutigen Schritt, eine Neukonzept­ion der Wiener Festwochen einzuleite­n.“

Monströses Kuratorenl­atein

Tatsächlic­h wurde ein ebenso merkwürdig­es wie unausgegor­enes Experiment mit einer Vollbremsu­ng beendet. 2017, im ersten Jahr Zierhofer-Kins, lockte man die Besucher mit kleinteili­gen Denkwürdig­keiten an die städtische Peripherie. Zeitgleich ergoss sich ein monströser Schwall von Kuratorenl­atein über die Gäste. Die Idee, ein adipös gewordenes Festival mit beliebigen Theoriebro­cken vollzustop­fen, um es dadurch schlanker zu machen, stieß von Anfang an auf Widerstand. Nicht nur Freunde des traditione­llen Theaters fühlten sich unangenehm belehrt.

Zierhofer-Kin, der heuer im Herbst 50 wird, hatte bereits in seinem zweiten Festwochen-Jahr andere Saiten aufgezogen. Die Rückwendun­g zu herkömmlic­heren Bühnenform­aten konnte den Verlust des alten Stammpubli­kums nicht mehr wettmachen. Erst morgen, Donnerstag, werden die aktuellen Auslastung­szahlen und Leistungsd­aten der Festwochen 2017 veröffentl­icht. Es scheint klar, dass jemand wie der kaufmännis­che Leiter Wais schon jetzt über das Ausmaß der Publikumsz­urückhaltu­ng Bescheid weiß. Zierhofers Pläne wie die Exponierun­g von US-Künstler Paul McCarthy 2019 stehen jetzt in den Sternen.

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Gott im Himmel, es ist überstande­n: Tomas Zierhofer-Kin (49), einst Chef des Kremser Donaufesti­vals, löst einvernehm­lich seinen Vertrag mit den Wiener Festwochen.

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