Kirschessigfliege, eine Plage
Seit einigen Jahren treibt die eingeschleppte Kirschessigfliege ihr Unwesen in Europas Obstkulturen. Innsbrucker Wissenschafter schaffen in ihrer Forschung die Basis für ökologische Gegenmaßnahmen.
Vom September 2011 stammt der erste Nachweis der Kirschessigfliege aus Österreich. Wahrscheinlich kam der Schädling, der in Japan erstmals 1916 beschrieben wurde und in Ostasien verbreitet ist, durch Fruchtimporte nach Europa und Nordamerika, wo er sich gut etablieren konnte. Mit fatalen Folgen: Aus Kalifornien, Frankreich oder Italien wurden in manchen Jahren Ernteausfälle bei Heidelbeeren, Erdbeeren oder Kirschen von bis zu 90 Prozent gemeldet. In Österreich findet man Drosophila suzukii heute vor allem in Osttirol, Kärnten und der Steiermark.
Was macht das kleine Insekt so gefährlich? „Das Besondere an der Kirschessigfliege ist der mit Zähnchen besetzte Legebohrer der weiblichen Tiere“, erklärt Michael Traugott, Ökologe an der Universität Innsbruck. Andere Essigfliegen befallen Früchte erst, wenn sie faulen oder bereits aufgebrochen sind. Die Kirschessigfliege legt mithilfe der Bohrwerkzeuge ihre Eier bereits unter die Haut fester, heranreifender Früchte. Innerhalb von zwei Tagen schlüpfen die Fliegenmaden, um sich durchs Fruchtfleisch zu fressen. Verschärft wird die Gefahr durch das breite Spektrum an Wirtspflanzen. Es reicht von Süßkirschen bis Pflaumen, vom Pfirsich bis zu Marillen, vielen Beerenarten und sogar Weintrauben. Auch Wildpflanzen wie Holunder oder Hartriegel sind davor nicht gefeit.
Traugott und sein Team sind Experten für Nahrungsbeziehungen in der Natur. Sie haben nun mit Kollegen in Deutschland und der Schweiz kooperiert, um die ökologischen Zusammenhänge rund um den Neobionten zu erforschen. Letztendlich soll das zu Maßnahmen führen, um den Befall auf natürlichem Weg einzudämmen, etwa indem man Nahrungsquellen für die Fliege beschränkt, Fressfeinde aber unterstützt. Pestizide stehen zwar zur Verfügung, „aller- dings muss die chemische Bekämpfung knapp vor der Ernte erfolgen, was dann Probleme mit hohen Pestizidrückständen auf den Früchten macht“, wendet Traugott ein. Netze über die Früchte zu spannen sei eine gute, allerdings auch teure Alternative.
DNA-Nachweis
Definitiv feststellen zu können, was die Essigfliegen fressen, ist kein einfaches Unterfangen. Die nur knapp drei Millimeter kleinen Insekten nehmen über ihre Tupfer – spezielle Mundwerkzeuge – kleinste Mengen an Flüssigkeiten auf. Unter dem Mikroskop sind diese nicht klar unterscheidbar. Auch die Beobachtung bringt wenige Erkenntnisse: Nur weil das Tier auf einer Frucht sitzt, bedeutet das nicht, dass es Nahrung aufnimmt.
Traugott und Kollegen haben nun eine Methodik entwickelt, bei dem ein DNA-Nachweis des Mageninhalts erstellt wird. Das geschieht mittels sogenannten DNABarcodings, bei dem eine breite Vielfalt von Arten mittels Markergene identifiziert werden kann. Zuvor wurde festgestellt, dass die DNA etwa einen Tag im Magen der Insekten intakt bleibt. Und es wurde eine „Fliegenwäsche“entwi- ckelt, um andere DNA, die nicht als Nahrung aufgenommen wurde, von den Tieren zu waschen.
Die Methode funktioniert: Bei einer Probeuntersuchung wurde im Magen von Kirschessigfliegen bereits Himbeer-DNA nachgewiesen. Kommende Studien in ganz Europa sollen klären, welche Pflanzen die Insekten in den verschiedenen Jahreszeiten als Nahrungsquelle nutzen.
Bleibt die Frage: Wer frisst die Kirschessigfliege? Oder, wie es Traugott formuliert: Im Verdauungstrakt welcher räuberischen Insekten oder Spinnentiere ist die DNA von Drosophila suzukii nachweisbar? Auch hier gibt es erste Untersuchungen: „Es hat sich herausgestellt, dass Wanzen, Ohrwürmer und verschiedene Spinnen große Konsumationsraten aufweisen“, fasst Traugott die Ergebnisse zusammen. Spitzenreiter sind Ohrwürmer: Bei ihnen wurden mehr als 45 Prozent positiv auf die Kirschessigfliege getestet. Sie haben also ein, zwei Tage vor der Überprüfung zumindest eines dieser Insekten gefressen.
Nützlinge fördern
„Bei Pestizideinsatz leiden die Nützlinge ebenso wie die Schädlinge, sie erholen sich aber langsamer“, beschreibt Traugott ein Dilemma. Andererseits können Ohrwürmer in bestimmten Fällen selbst Schäden anrichten. Um die Nützlinge zu fördern, muss man ihnen gute Versteckmöglichkeiten und Nahrungsquellen abseits der Kirschessigfliege bieten, etwa indem man zwischen Bäumen und Sträuchern einer Obstkultur weiteren Bewuchs zulässt.
Damit ein Schädling zurückgedrängt wird, muss eine entsprechend hohe „Gegenspielerdichte“etabliert werden. Denn, so Traugott: „Man kann nicht erwarten, dass die Schädlingspolizei gerade dann habt acht steht, wenn man sie braucht.“