Jeden Tag woanders arbeiten
In der neuen Zentrale der Bank Austria in Wien sind fixe Arbeitsplätze passé. Mitarbeiter lagern ihre Arbeitsunterlagen in Schließfächern und suchen sich täglich einen neuen Platz. Und das muss nicht der Schreibtisch sein.
Die Bank Austria hat eine neue Unternehmenszentrale auf dem ehemaligen Gelände des Wiener Nordbahnhofs im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Bisher sind in etwa 4000 der 5300 Mitarbeiter auf den Austria-Campus übersiedelt, Anfang Juli soll der Umzug abgeschlossen sein. Rund 500 Millionen Euro habe das Projekt, das von Signa errichtet wurde, insgesamt gekostet. Es besteht aus fünf Gebäuden, von denen die Bank Austria und ihre Tochtergesellschaften zwei nutzen. Bisher waren sie an unterschiedlichen Standorten in der Schottengasse, am Julius-Tandler-Platz oder in der Lassallestraße angesiedelt.
„Die Kommunikation war oft viel schwieriger. Nun sind wir endlich alle auf einem Platz“, freut sich Doris Tomanek, die im Vorstand der Bank Austria für den Bereich Human Capital zuständig ist. Das Innenleben des neuen Gebäudes sei ebenfalls ganz auf Kooperation ausgelegt: Es gibt mehrere Meetingräume, Sitzecken, in denen sich Mitarbeiter spontan besprechen können, und auch „Kommunikationszonen“mit unterschiedlich hohen Tischen und Kaffeemaschinen.
Fixe Arbeitsplätze gibt es hier indes kaum noch. Arbeitsmaterialien werden in Schließfächern verstaut, jeden Tag sucht man sich einen neuen Arbeitsplatz oder arbeitet mit seinem Laptop mobil etwa im hauseigenen Bistro oder im Garten. Es gebe auch die Möglichkeit für Homeoffice. „Manche nützen das intensiv, andere arbeiten weiterhin lieber im Büro.“
Nicht nur das Wo, auch das Wann könnten Mitarbeiter neuerdings selbst bestimmen. Tomanek: „Wenn jemand zu Mittag zwei Stunden schwimmen gehen will, dann soll er das tun.“Diese Arbeitsweise setze jedoch großes Vertrauen seitens der Führungskräfte voraus. „Die Kontrolle, die es davor gab, gibt es jetzt nicht mehr. Früher habe man erfasst, wann jemand kommt und geht. Was nun zählt, sei nicht länger, wie viel jemand arbeitet, sondern das Ergebnis. „Wir sind überzeugt, dass sich das auch positiv auf die Motivation auswirkt.“
Lernen zu vertrauen
Damit das neue Konzept des Remote Working funktioniert, sei viel Vorbereitung nötig gewesen. Die Kollegen nicht mehr jeden Tag auf ihren Plätzen sitzen zu sehen setzte „ein Umlernen der Führungskräfte“voraus. Der Kontakt laufe mittlerweile häufig über das Mobiltelefon und über E-Mails. Wichtig sei es aber dennoch, dass Leute regelmäßig in Jour fixes persönlich zusammentreffen. Remote Working und flexibles Arbeiten anzubieten sei heute unabdinglich, um als Arbeitgeber bei Bewerbern zu punkten. „Die Bankbranche hatte in den letzten Jah- ren nicht gerade das beste Image. Und mit solchen Angeboten können wir uns wieder ganz gut positionieren“, ist Tomanek überzeugt. Junge setzten flexibles Arbeiten sowieso längst voraus, „aber auch Ältere schätzen es“, beobachtet sie.
Was aber, wenn jemand die gebotene Freiheit ausnützt? „Es wird immer Menschen geben, die das tun“, sagt Tomanek. „Ich gehe aber davon aus, dass Verantwortung und Leistung der Mitarbeiter steigen, wenn man Freiraum gibt.“
Aber auch die gegenteilige Gefahr besteht: Menschen könnten auch nach Feierabend lange weiterarbeiten, schließlich ins Burnout schlittern. Tomanek glaubt das wenig überraschend nicht: „Es macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied, ob man im Büro oder von zu Hause aus arbeitet.“