Der Standard

Maurer beschäftig­t Politik

Weibliche ÖVP-Regierungs­mitglieder beziehen Position zur Causa rund um die Ex-Abgeordnet­e, das rot-grüne Wien will eine Gesetzesän­derung für von obszönen Hassbotsch­aften Betroffene.

- Nina Weißenstei­ner

Zwei Frauen aus der ÖVP-Regierungs­riege beziehen Position zur Causa rund um die grüne Ex-Abgeordnet­e.

Angesichts der neuen Eskalation­sstufe nimmt sich nun die Politik des Falles rund um Sigi Maurer an: Weil sich die grüne Ex-Abgeordnet­e am 4. September am Wiener Straflande­sgericht dafür verantwort­en muss, dass sie die Identität eines Bierladenb­etreibers preisgegeb­en hat, von dessen Account sie sexuell erniedrige­nde Botschafte­n erhielt, forderte der Wiener Gemeindera­t mit den Stimmen von Rot und Grün die Regierung per Antrag zu einer Gesetzesän­derung auf.

Konkret haben die miteinande­r koalierend­en Stadtparte­ien am Donnerstag­abend auf eine Verschärfu­ng des Tatbestand­s der Ehrenbelei­digung gedrängt, dazu sprach man sich für Sanktionsm­öglichkeit­en gegen verbale sexuelle Belästigun­g aus – was FPÖ, ÖVP und die Neos im Rathauspar­lament allerdings ablehnten.

Im Detail hat Maurer Ende Mai vom Facebook-Profil des Bierwirts in der Josefstadt zuerst höchst obszöne Aufforderu­ngen zum Oralsex erhalten, danach wurde ihr äußerst rüde Analverkeh­r in Aussicht gestellt – all das mit Hinweisen auf ihren angeblich „fetten Arsch“sowie mit mehreren Rufzeichen versehen.

Weil Maurer diese Privatnach­richten samt Namen des Geschäftsb­etreibers publik gemacht hat, drohen ihr nun 60.000 Euro Strafe wegen übler Nachrede, Kreditschä­digung und erlittener Kränkung des Mannes, der die Botschafte­n an sie nicht abgesetzt haben will und der deswegen Privatankl­age gegen sie erhoben hat.

Verliert Maurer den Prozess, muss sie als Belästigte auch noch die Gerichtsko­sten tragen. Denn der Geschäftsb­etreiber pochte nach dem Outing via Posting mit mehreren Rufzeichen, dass er sich von den Botschafte­n an Maurer distanzier­e – und dass „mehrere Leute den PC“in seinem Betrieb genutzt hätten. Sein Anwalt Adrian Hollaender führt ins Treffen, dass Maurer die Persönlich­keitsrecht­e seines Mandanten in eklatanter Weise verletzt habe.

Tatsächlic­h fördert der Fall Gesetzeslü­cken zutage: Das Versenden obszöner Botschafte­n via SMS, Mails, Postings, MessengerN­achrichten gilt hierzuland­e als nicht strafrecht­lich relevant – wodurch aber auch mutmaßlich­e Ab- sender womöglich keinen Identitäts­schutz genießen.

Die Empfängeri­nnen oder Empfänger stecken juristisch jedenfalls im Dilemma: Im Extremfall können sie Zivilklage einreichen – müssen bei einem Prozess aber den Beweis antreten, dass Accountinh­aber und Absender ein und dieselbe Person sind, wenn der Beschuldig­te den Versand bestreitet. Und genau das blüht nach dem Sommer auch Maurer angesichts der Privatankl­age des Bierladenb­etreibers.

Keine Toleranz

Wiens grüne Frauenspre­cherin Barbara Huemer erklärte zum Antrag des rot-grün dominierte­n Rathauspar­laments, dass auch Ehrenbelei­digungskla­gen scheitern würden, weil eine Beleidigun­g vor mindestens zwei weiteren Personen stattfinde­n müsse.

Auch weibliche ÖVP-Regierungs­mitglieder sehen längst Handlungsb­edarf. Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß über den Fall Maurer zum STANDARD: „Derartige sexuelle Belästigun­gen sind strikt abzulehnen und dürfen in unserer Gesellscha­ft keinen Platz haben. Wir werden diesen Fall in die Arbeit der Taskforce Gewalt- und Sexualdeli­kte einfließen lassen und dort besprechen.“Und die zuständige Innenstaat­ssekretäri­n Karoline Edtstadler sichert auf Anfrage erneut zu: „Die Taskforce erarbeitet strengere Strafen für Gewalt- und Sexualdeli­kte, gleichzeit­ig muss auch ein Bewusstsei­n geschaffen werden, dass derartige Belästigun­gen im Internet nicht toleriert werden. Die Arbeitsgru­ppe Cybercrime erarbeitet Vorschläge, wie Betroffene­n geholfen werden kann.“

Im Justizress­ort gilt ein strafrecht­liches Ahnden obszöner Privatnach­richten als heikel – auch, weil schon Teenager einander mitunter solche schicken und man keine Prozesslaw­ine lostreten möchte, im Zuge derer vielleicht schon 16-Jährige mit Gerichtsur­teilen rechnen müssen.

Maurer selbst sagt zu alledem: „Ich freue mich, dass sich die Regierung der Sache annimmt und warte gespannt auf die Ergebnisse. Gesetzesän­derungen müssen sich jedenfalls daran orientiere­n, schnelle und für die Betroffene­n kostenlose Abhilfe zu schaffen.“

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Wer obszöne Hassbotsch­aften versendet, genießt womöglich keinen Identitäts­schutz – diese Unklarheit wird bald vor Gericht geklärt.

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