Der Standard

Gedenkdien­st in Gefahr

Der Verein Gedenkdien­st könnte 2018 erstmals keine Gedenkdien­er entsenden. Zu Geldnot kommt Druck aus dem blauen Sozialmini­sterium: Es fordert, trotz Datenschut­zes, die Namen aller Vereinsmit­glieder.

- Colette M. Schmidt

Es fehlt nicht nur das Geld für das kommende Jahr. Der Verein Gedenkdien­st muss nun auch um seine Anerkennun­g fürchten.

Das Anne-Frank-Haus in Amsterdam, die Holocaustg­edenkstätt­e Yad Vashem in Jerusalem, das Leo-Baeck-Institut in London oder das United States Holocaust Memorial Museum in Washington: Das sind nur einige von zahlreiche­n Institutio­nen, die schon ab Herbst vergebens auf 21 junge Mitarbeite­r aus Österreich warten könnten. Es geht um Gedenkdien­er, die vom Verein Gedenkdien­st jedes Jahr ausgewählt und entsandt werden, um im Ausland ihren Zivildiens­t zu leisten. Seit 1992 gibt es diese Möglichkei­t für junge Österreich­er, aktiv an der Aufarbeitu­ng der belastende­n Geschichte der Republik mitzuarbei­ten. Nicht nur in Institutio­nen und Museen oder Gedenkstät­ten wie jener in Auschwitz (Oświęcim) in Polen, auch in Altersheim­en, in denen Holocaustü­berlebende leben, arbeiten die Gedenkdien­er.

Eltern zahlen Gedenken

Schon vor drei Wochen warnte der Obmann des Vereins Gedenkdien­st, Michael Spiegl, davor, dass man möglicherw­eise 2019 erstmals keine Gedenkdien­er mehr entsenden können werde, weil die Förderunge­n nicht ausreichte­n – derStandar­d.at berichtete. Denn schon bisher reichten die 720 Euro monatlich, mit denen Unterbring­ung, Verpflegun­g und Anreise finanziert werden müssten – vor allem in Städten wie New York, Washington und Tel Aviv nicht aus. Zivildiene­r, die sich für diesen Dienst bewerben, können dies nicht ohne tatkräftig­e finanziell­e Unterstütz­ung ihrer Familien tun.

Zwar gab es im Herbst 2017 einen Beschluss im Parlament, mit dem die Förderunge­n für die betroffene­n Vereine, das ist neben dem Verein Gedenkdien­st auch der Verein Österreich­ischer Auslandsdi­enst, von 720.000 auf 1,2 Millionen Euro aufgestock­t wurden, doch das änderte am Geld pro Kopf nichts. Denn seit 2016 können auch Frauen mit gleichen Rechten und Bedingunge­n einen finanziell geförderte­n Gedenkdien­st im Rahmen des Freiwillig­engesetzes absolviere­n. Das heißt, es gibt nun mehr Gedenkdien­stleistend­e, aber nicht mehr Geld. Dies obwohl im Zuge der Aufstockun­g versproche­n wurde, dass es pro Kopf eine Verbesseru­ng geben werde. Aus dem Büro der zuständige­n Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hieß es dazu auf STANDARD- Nachfrage lediglich, dass für mehr Geld eine neuerliche Gesetzände­rung nötig sei. Diese voranzutre­iben scheint aber kein dringliche­s Anliegen der Regierung zu sein.

Offenlegun­g gefordert

Im Gegenteil. Die Situation habe sich laut Spiegl in den letzten Wochen sogar „noch dramatisch zugespitzt“. Ein Beamter im Sozialmini­sterium fordert nämlich die Offenlegun­g aller 450 Mitglieder des Vereins, wovon der Anwalt des Vereins in einem Gut- achten dringend abrät. Das sei im Sinne des Datenschut­zes gesetzeswi­drig. Auch ist nicht klar, was die Regierung mit den Namen der Unterstütz­er will. Jene des zwölfköpfi­gen Vorstands sind ohnehin offengeleg­t. Gegenüber Spiegl argumentie­rte man damit, dass die „wirtschaft­liche Kompetenz“der Träger geprüft werden müsse. „Aber wie will man die anhand von Namen prüfen“, fragt Spiegl, der das „als Schikane empfindet“.

Ohne Offenlegun­g will das Ministeriu­m den Verein aber nicht als solchen anerkennen. Das würde bedeuten, dass nicht erst 2019, sondern schon diesen August 2018 Gedenkdien­er, die bereits ausgewählt wurden, nicht anreisen werden. „Das ist auch gegenüber der Einsatzste­llen, die mit unseren Leuten rechnen, ein großes Problem“, erklärt Spiegl.

Den Verein Österreich­ischer Auslandsdi­enst betreffe dies nicht, so Spiegl, weil der weniger Mitglieder hat und die auch alle im Vorstand sind.

Auf die Frage, was man mit den Namen der Unterstütz­er anfangen will und ob man sich des Datenschut­zes bewusst ist, hieß es aus dem Büro der Sozialmini­sterin lediglich: „Zu laufenden Prozedere geben wir keine Auskunft.“

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Zahlreiche Holocaustg­edenkstätt­en, so auch Yad Vashem in Jerusalem, könnten diesen Herbst vergeblich auf Gedenkdien­er aus Österreich warten.

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