Die Erasmus- Generation
Die starke Union des Jahres 2038 hatte viele Vordenker. 20 Jahre davor, als durch ökonomische Verwerfungen zwischen Nord und Süd sowie kulturelle Differenzen zwischen Ost und West alles zu scheitern drohte, richteten Intellektuelle, Philosophen, Wissenschafter leidenschaftliche Appelle an die proeuropäische Jugend. Sie entwarfen positive Zukunftsszenarien, die bei der digital bestens vernetzten Erasmus-Generation auf fruchtbaren Boden fielen. 2038 hat sich das StudierendenAustauschprogramm als wichtigster Motor der europäischen Einigung erwiesen. Vor einigen Jahren hat man es, begleitet durch eine massive Werbekampagne in Schulen und öffentlich-rechtlichen Medien, auch Lehrlingen und Maturanten ans Herz gelegt.
Das Bekenntnis zu einer gemeinsamen europäischen Identität, die auf den Errungenschaften der Aufklärung basiert, teilen dadurch weite Teile der Gesellschaft. Von Athen bis Stockholm und von London bis Warschau wird auf allen Ebenen Solidarität gelebt. Man denkt europäisch im Fest wie im Protest. Nationale Sportmannschaften wurden durch europäische Auswahlen ergänzt, Europaflagge und -hymne stehen stolz neben nationaler Symbolik. Weltweit einzigartig stellen öffentliche Gelder kulturelle Vielfalt sicher. Der neuen Generation ist es gelungen, Sentimentalität für ein geeintes Europa zu wecken.
Die Trennung von Kirche und Staat bezweifelt heute kaum noch jemand, das Gespenst des Islamismus wurde durch die Förderung liberaler Muslimverbände vertrieben. Die neuen Europäer erfreuen sich an Vielsprachigkeit, an deutsch-französischer Philosophie, italienischer Kunst, skandinavischem Design oder Musik aus Österreich. Im Gedenken an den 100 Jahre zurückliegenden Zivilisationsbruch erneuert die EU ihr Kernversprechen: nie wieder Krieg – weder hier noch anderswo.