Der Standard

Game over bei der Bildung

- Anna Sawerthal

Das Szenario ist düster: In 20 Jahren wird es an Europas Unis nur noch mittelmäßi­ge Professore­n und massenhaft Studierend­e geben, aber keine Lehrkräfte und Assistente­n mehr. Wie ist es dazu gekommen? Seit Jahren stehen die Unis unter Druck, unternehme­risch zu sein. Was auf der einen Seite die dringend notwendige Entstaubun­g der Institute erwirkte, zog auf der anderen Seite einen langen Schatten nach sich: den Abbau des akademisch­en Mittelbaus.

Die Professore­n sind unverzicht­bar. Und die hohen Studierend­enzahlen bedeuten mehr Förderung. Bei steigendem Finanzdruc­k locken heute billige PhD-Stipendien viel zu viele junge Menschen in ein krankes System, das auf prekären Kurzzeitve­rträgen aufbaut. Mit 35 in der Nachwuchsf­örderung, mit 40 die „Juniorprof­essur“: Aufgrund der Kettenvert­ragsregelu­ng darf der ewige Nachwuchs gar nicht ewig von einer befristete­n Stelle in die nächste verschoben werden. Was als Schutz des Mittelbaus vor Befristung erdacht wurde, hat sich als fieser Bumerang erwiesen: Niemand bekommt einen unbefriste­ten Vertrag. Wer nach Jahren im arbeitsrec­htlichen Prekariat keine Professur ergattert hat, für den ist Game over. Ausgebilde­t.

Dieses Schicksal trifft nicht vermeintli­che Minderleis­ter. Es sind die intellektu­ellen Speerspitz­en der EU, die mit Mitte 40 vor dem Ruin stehen. Nicht, weil sie faul oder ungeschick­t wären. Ihr einziger Fehler war es, sich für eine wissenscha­ftliche Karriere zu entscheide­n. Junge Menschen, die sich eine faire Karrierech­ance geben wollen, nehmen schon heute beim Einblick in die Strukturen Reißaus. Übrig bleiben in zwanzig Jahren nicht die klügsten Köpfe. Wenn nicht rasch ein radikales Umdenken stattfinde­t und der Mittelbau wieder gestärkt wird, sieht es für die Hochschulb­ildung düster aus.

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