Schengen für die ganze Welt
Es war ein harter Kampf, den Europas Jugend bis zum Jahr 2038 ausgefochten hat. Die internetaffine Generation war ob der Datenskandale der Jahre zuvor sensibilisiert und wusste die großen Technologiekonzerne, die die Migrationskontrolle an sich gerissen hatten, in die Schranken zu weisen. Das von der EU lancierte und von allen europäischen Staaten – von Portugal im Westen über Russland im Norden und Georgien im Osten bis zur Türkei im Süden – mitgetragene Schengen-3.0-Abkommen hatte mit Reisefreiheit für alle geworben. Der kleine Chip unterm Ohr hätte dabei im gesamten innereuropäischen Raum den Reisepass ersetzt. Nach monatelangen Jugendprotesten und der erfolgreichen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof kommt der Chip nun doch nicht – weder für Europäer noch für einreisende Ausländer. Einzig der Iris-Scan an der Außengrenze oder im Registrierzentrum für Neugeborene ist verpflichtend.
Angeführt von der gesellschaftsliberalen nigerianischen Staatspräsidentin hatte sich Mitte der 2020er-Jahre zudem ein panafrikanisches Selbstbewusstsein etabliert, das den freien Warenverkehr ohne freien Personenverkehr nicht länger akzeptieren wollte. Warum sollten angolanische Bodenschätze nach Europa gelangen dürfen, aber ein senegalesischer Flüchtling oder eine libysche Migrantin nicht? Der wirtschaftliche Druck zwang die EU zum Handeln. Sie gewährte immer öfter Botschaftsasyl und ermöglichte legale und sichere Fluchtrouten, um Schleppern das Geschäft abzudrehen. Bis ins Jahr 2038 wurden drei Millionen sechsmonatige Stipendien an junge Afrikaner, Südamerikaner und Asiaten vergeben. Manche blieben, einige kehrten in ihre Heimat zurück und nahmen die Idee der freien Mobilität, die sie in Europa erlebt haben, mit. Dort entstehen derzeit ebenfalls große kontinentale „Schengen“-Räume.