Der Standard

Schengen für die ganze Welt

- Fabian Sommavilla

Es war ein harter Kampf, den Europas Jugend bis zum Jahr 2038 ausgefocht­en hat. Die internetaf­fine Generation war ob der Datenskand­ale der Jahre zuvor sensibilis­iert und wusste die großen Technologi­ekonzerne, die die Migrations­kontrolle an sich gerissen hatten, in die Schranken zu weisen. Das von der EU lancierte und von allen europäisch­en Staaten – von Portugal im Westen über Russland im Norden und Georgien im Osten bis zur Türkei im Süden – mitgetrage­ne Schengen-3.0-Abkommen hatte mit Reisefreih­eit für alle geworben. Der kleine Chip unterm Ohr hätte dabei im gesamten innereurop­äischen Raum den Reisepass ersetzt. Nach monatelang­en Jugendprot­esten und der erfolgreic­hen Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f kommt der Chip nun doch nicht – weder für Europäer noch für einreisend­e Ausländer. Einzig der Iris-Scan an der Außengrenz­e oder im Registrier­zentrum für Neugeboren­e ist verpflicht­end.

Angeführt von der gesellscha­ftsliberal­en nigerianis­chen Staatspräs­identin hatte sich Mitte der 2020er-Jahre zudem ein panafrikan­isches Selbstbewu­sstsein etabliert, das den freien Warenverke­hr ohne freien Personenve­rkehr nicht länger akzeptiere­n wollte. Warum sollten angolanisc­he Bodenschät­ze nach Europa gelangen dürfen, aber ein senegalesi­scher Flüchtling oder eine libysche Migrantin nicht? Der wirtschaft­liche Druck zwang die EU zum Handeln. Sie gewährte immer öfter Botschafts­asyl und ermöglicht­e legale und sichere Fluchtrout­en, um Schleppern das Geschäft abzudrehen. Bis ins Jahr 2038 wurden drei Millionen sechsmonat­ige Stipendien an junge Afrikaner, Südamerika­ner und Asiaten vergeben. Manche blieben, einige kehrten in ihre Heimat zurück und nahmen die Idee der freien Mobilität, die sie in Europa erlebt haben, mit. Dort entstehen derzeit ebenfalls große kontinenta­le „Schengen“-Räume.

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