Der Standard

Tsipras stützt Merkel

Griechisch­er Premier wittert eine Chance im Asylstreit

- Markus Bernath

Athen – In Zeiten der Not kann sich die deutsche Kanzlerin auf die Linke verlassen: Das ist die Botschaft, die Alexis Tsipras nun verbreitet. Vom EU-Gipfel in Brüssel twitterte er am Freitag das Foto eines Dreiertref­fens mit Angela Merkel und dem neuen spanischen Premier Pedro Sánchez, einem Sozialiste­n.

Tsipras’ Botschaft dazu: „Die Länder, die eine europäisch­e Lösung für die Migrations- und Flüchtling­skrise unterstütz­en, müssen einen Rahmen für ihre Zusammenar­beit finden.“

Für Tsipras, den griechisch­en Regierungs­chef und Vorsitzend­en der nominell noch linksgeric­hteten Partei Syriza, bietet der Asylstreit in Europa auch eine ungeahnte Revanche: 2015 hatte er sein Land knapp an den Hinauswurf aus der Eurozone gebracht, 2016 drohte ein zeitweilig­er Ausschluss Griechenla­nds aus der SchengenZo­ne. Jetzt aber scheint Alexis Tsipras auf dem Weg, zum „poster boy“der alten Proeuropäe­r zu werden, allen voran der deutschen Christdemo­kraten und ihrer Kanzlerin.

Verständni­s für Berlin

Es sei unfair, dass Deutschlan­d als Zielland die Last bei der Aufnahme von Migranten in Europa trüge, erklärte Tsipras kurz vor dem EU-Gipfel in einem Interview mit der Financial Times. Beim Treffen der Staats- und Regierungs­chefs der EU zeigte sich der griechisch­e Premier dann auch bereit, Flüchtling­e, die sein Land passiert haben, wieder zurückzune­hmen. Nichts anderes sieht das DublinRege­lwerk zur gemeinsame­n Asylpoliti­k in der EU vor.

Wenige Rücknahmen

Griechenla­nd und die anderen „Eintrittsl­änder“für Flüchtling­e – Italien und Spanien zumal – fordern aber eine grundlegen­de Reform von Dublin. Von den knapp 2500 Anträgen aus Deutschlan­d für eine Wiederaufn­ahme von Migranten 2017 und in diesem Jahr soll Athen gerade einmal 123 akzeptiert haben.

Mit seiner Unterstütz­ung, die er nun für Merkel ausspricht, will Tsipras offensicht­lich verhindern, ein weiteres Mal – wie bei der Schließung der Balkanrout­e im Februar 2016 – von den anderen Europäern vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Berlin und die EU werden den Umbau von Lagern auf dem griechisch­en Festland zu „Kontrollze­ntren“finanziere­n, so die Überlegung in Athen. Die Kanzlerin wird dann auch die immer noch nicht entschiede­ne Frage einer Schuldener­leichterun­g für Griechenla­nd wohlwollen­der betrachten, so ist die Hoffnung der Regierung. 60.000 Flüchtling­e sind laut UNHCR derzeit in Griechenla­nd.

Newspapers in German

Newspapers from Austria