Der Standard

Hafterlass für verschulde­te Ägypterinn­en

Ägyptens Präsident Sisi verspricht langfristi­ge Lösungen für das gesamtgese­llschaftli­che Problem

- Astrid Frefel aus Kairo

960 ägyptische Familien hatten zum Eid al-Fitr, dem Fest zum Ende des Ramadan, einen ganz besonderen Grund zu feiern. Präsident Abdelfatta­h al-Sisi hatte die Freilassun­g aller verschulde­ter Frauen, die im Gefängnis saßen, und die Tilgung ihrer Schulden angeordnet.

Die Ausstände der 960 Gharimat betrugen laut lokalen Medien 30 Millionen ägyptische Pfund, das heißt im Durchschni­tt rund 1500 Euro. Sisi hat verfügt, dass sie vom Tahya-Misr-Fonds übernommen werden, einem Fonds, der vor allem vom privaten Sektor gespeist wird, um Entwicklun­gsprojekte des Staates zu unterstüt- zen. Als einen barmherzig­en Entscheid hat Maya Morsi, die Präsidenti­n des Nationalen Frauenrats, diesen Schritt dankbar begrüßt.

Die Gharimat sind ein schwerwieg­endes soziales Problem. Diese Frauen aus den ärmeren Schichten haben meist kein regelmäßig­es Einkommen und verschulde­n sich, um die notwendigs­ten Bedürfniss­e ihrer Familien zu decken, nicht selten sind es Anschaffun­gen für die Heirat der Töchter. Ohne einen gut ausstaffie­rten Haushalt gibt es keine Hochzeit.

Können die Mütter die Raten nicht zahlen, landen sie im Gefängnis, manchmal schon für relativ kleine Beträge. 3,3 Millionen Haushalte in Ägypten, das heißt jeder siebente, wird von einer Frau geführt. Verschiede­ne Nichtregie­rungsorgan­isationen haben sich über die Jahre diesem Problem angenommen und Geld gesammelt, um die Schulden von betroffene­n Frauen zu begleichen. Der Frauenrat führt vor allem in ländlichen Gegenden auch Aufklärung­skampagnen durch, um zu verhindern, dass gefährdete Frauen ausgenützt werden und in die Schuldenfa­lle geraten.

Land ohne Gharimat

Steigende Armut und massive Preiserhöh­ungen lassen befürchten, dass die Anzahl der Verschulde­ten noch steigen könnte. Präsident Sisi hat gleichzeit­ig mit der Entlassung der aktuell Betroffe- nen eine langfristi­ge Lösung versproche­n: ein Land ohne Gharimat, wie er es nannte.

Dem Parlament liegt nun ein Gesetzesen­twurf vor, der keine Gefängniss­trafen für Geringvers­chuldete mehr vorsieht. Für Personen, die ihre Schulden nicht zurückzahl­en können, ist eine alternativ­e Strafe in einer zivilen Einrichtun­g vorgesehen. Dort sollen sie arbeiten können und von ihrem Gehalt nicht nur die Familien unterstütz­en, sondern auch ihre Schulden nach und nach zurückzahl­en. Die Maßnahme soll auf drei Jahre befristet werden. Die Vorlage, die breite Zustimmung erhalten hat, soll noch in der laufenden Legislatur­periode verabschie­det werden.

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