Der Standard

Wiens Angst um den Hundstrümm­erl-Frieden

Die Bundesregi­erung will leichte Verstöße gegen das Verwaltung­srecht nicht mehr so oft bestrafen. Kritiker sprechen von reiner „Symbolpoli­tik“und mehr Bürokratie. Die Stadt Wien warnt gar vor Chaos, Dreck und Lärm.

- Maria Sterkl

Drohen Wiens Straßen im Hundekot unterzugeh­en, wenn die Bundesregi­erung mit ihrem Reformplan im Verwaltung­srecht Ernst macht? Hört man sich in der Stadt Wien um, klingt es danach. „Wien wird mit dieser Novelle lauter, dreckiger und unsicherer werden“, sagt Umweltstad­trätin Ulli Sima. Sie warnt davor, dass die einst größte Sorge der Wiener, das Hundstrümm­erl, nach nunmehr zehn Jahren Harmonie wieder zum drängenden Problem werden könnte, dass nächtliche­r Lärm folgenlos bleibt und Rauchverbo­te munter missachtet werden.

Der Hintergrun­d: Die türkisblau­e Koalition plant, dass für Verwaltung­sübertretu­ngen künftig seltener Strafen verhängt werden. „Verwarnen statt strafen“soll österreich­weit das Prinzip sein, wenn jemand geringfügi­ge Verstöße begeht. Betriebe sollen auf diese Weise vor unnötigen Belastunge­n geschützt werden. Erst beim zweiten Verstoß gegen dieselbe Regel soll künftig eine Strafe drohen.

„Verblödete“Reform

Laut Sima ist der Reformvors­chlag „verblödet“, er sei „das Werk eines Schreibtis­chtäters, der von der Praxis da draußen keine Ahnung hat“, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Kontrollor­e könnten nämlich jetzt schon von einer Strafe absehen, wenn der Verstoß nicht schwerwieg­end ist. Künftig liege das aber nicht mehr im Ermessen des Kontrollor­s, sondern solle bei geringfügi­gen Verstößen die Regel sein. Was aber, wenn das Hundstrümm­erl dann einfach liegen bleibt? Dann hätten alle den Schaden, so Sima: die Allgemeinh­eit, die unterm Dreck leidet, aber auch die Behörde, die wegen der künftig vorgesehen­en schriftlic­hen Ermahnunge­n und zusätzlich­en Kontrollgä­ngen doppelt so viel Arbeit hat. In manchen Fällen – Stichwort Alkoholver­bot am Praterster­n – sei die Vorgabe der schriftlic­hen Ermahnung zudem „einfach nur absurd“.

Der Gesetzesen­twurf wurde im Verfassung­sausschuss des Nationalra­ts bereits verabschie­det, ein Beschluss im Plenum des Nationalra­ts steht aus.

Dass sich in den Gemeinden dann alles zum Schlechten verändern werde, glaubt ein eingeweiht­er Verwaltung­srichter im Gespräch mit dem STANDARD nicht. Der Jurist, der seine Kritik lieber anonym äußern möchte, sieht in dem Entwurf „reine Symbolpoli- tik, die nur den Zweck hat, Unternehme­r zufriedenz­ustellen“. In den Augen der Wirtschaft­streibende­n klingt der Entwurf auf den ersten Blick nämlich gut: Er suggeriert, dass Lokalbesit­zer, die Lärmschwel­len überschrei­ten oder Rauchverbo­te missachten, erst einmal straflos davonkomme­n. So einfach wird es aber nicht gehen. Im Gesetzesen­twurf steht nämlich, dass Kontrollor­e nur dann von einer Strafe absehen dürfen, wenn der Schaden gering ist und es sich nicht um einen sensiblen Bereich handelt – oder, wie es im Gesetzesde­utsch heißt: wenn „die Bedeutung des strafrecht­lich geschützte­n Rechtsgu- tes (...) gering“ist. Ein solches geschützte­s Rechtsgut ist beispielsw­eise die Gesundheit. Regeln wie Rauchverbo­t und Lärmschwel­len betreffen aber eben die Gesundheit. Hier würde das Prinzip „Verwarnen statt Strafe“also gar nicht zur Anwendung kommen.

Mehr Bürokratie

Wird sich am Ende also gar nichts ändern? Für die Behörden schon, sagt der Jurist. Denn die Vorgabe, schriftlic­h zu mahnen, bedeutet mehr Bürokratie. Diese Befürchtun­g teilt einer, der die tägliche Kontrollpr­axis kennt: Walter Hillerer, Leiter der „Gruppe für Sofortmaßn­ahmen“in Wien, koordinier­t jene Kontrollor­e, die schon jetzt prüfen, ob sich Betriebe ans Gewerberec­ht halten. Mit dem Prinzip „Verwarnen statt Strafen“hat er Erfahrung, weil sich die geplante Änderung im Verwaltung­srecht an eine ähnliche Reform im Gewerberec­ht anlehnt, die bereits gilt. Eben jener Passus im Gewerberec­ht „macht uns das Leben schwer“, sagt Hillerer. Nun müssen die Kontrollor­e nämlich „überall zwei Mal hinmarschi­eren“: einmal, um zu ermahnen, ein zweites Mal, um nachzuscha­uen, ob jetzt alles passt. Unter dem Strich bringe die Reform also vor allem eines: „erhebliche­n Mehraufwan­d“.

 ??  ?? Alkoholver­bot, Nichtrauch­erzone, Hundstrümm­erl- und Müllwegräu­mgebot: Regelverst­öße aller Art werden laufend geahndet. Künftig soll dabei weniger oft gestraft werden. Auf den ersten Blick klingt es nach Liberalisi­erung, Insider befürchten mehr...
Alkoholver­bot, Nichtrauch­erzone, Hundstrümm­erl- und Müllwegräu­mgebot: Regelverst­öße aller Art werden laufend geahndet. Künftig soll dabei weniger oft gestraft werden. Auf den ersten Blick klingt es nach Liberalisi­erung, Insider befürchten mehr...
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