Kurz wehrt sich gegen Bezeichnung „far right“
Kommentar in der „Financial Times“wurde nach Intervention durch die Botschaft geändert
Wien – Es war eine heftige Auseinandersetzung im EU-Hauptausschuss des Nationalrats: Bruno Rossmann, Klubobmann der Liste Pilz, hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch unter anderem vorgeworfen, auf der „Klaviatur des Nationalismus“zu spielen. Der Kanzler wähle in der EUPolitik und in der Flüchtlingsfrage den „falschen Weg“der nationalen Alleingänge. Rossmann kritisierte insbesondere den „Achsen“-Sager des Kanzlers bei einem Auftritt mit Deutschlands Innenminister Horst Seehofer in Berlin. Die Metapher der Achse Berlin–Wien–Rom sei „historisch schwer belastet“. Rossmann zitierte zudem aus einem Kommentar in der Financial Times: Kurz werde darin als „Rechts-außenKanzler“bezeichnet. „So sieht Europa Sie“, sagte Rossmann. Das führte zu einem heftigen Wortgeplänkel mit anderen Abgeordneten, ein freiheitlicher Mandatar vermutete „Sozialisten“in der Redaktion der Financial Times.
Der ÖVP-Mandatar Martin Engelberg führte unterdessen eine Onlinerecherche auf seinem Handy durch – und konnte die inkriminierte Stelle im Kommentar der Financial Times nicht finden. Der Kanzler selbst klärte die Situation schließlich auf: „Die Financial Times hat das korrigiert und sich entschuldigt.“
„Routineaufgabe“
Tatsächlich wurde der Text in der Financial Times nachträglich geändert. Die österreichische Botschaft in Washington hatte die Redaktion kontaktiert und sich über den Begriff „Rechts-außen-Kanzler“beschwert. Das hat eine Recherche des ORF ergeben. Die österreichische Botschaft in Washington hat den Kontakt mit der Zeitung mittlerweile bestätigt. Es sei „Routineaufgabe“einer Botschaft, sowohl mit Redakteuren als auch Vertretern von Thinktanks regelmäßigen Kontakt zu halten und österreichische Positionen zu erklären. „In diesem Sinne gab es auch Kontakt zu den betreffenden Personen“, erklärte der Sprecher der österreichischen Botschaft in Washington, Thorsten Eisingerich, auf Anfrage der Austria Presse Agentur.
Der Autor des Artikels, Edward Luce, teilte dem ORF mit, er sei am Montag von der Botschaft kontaktiert worden. „Die Vertretung im Ausland sei besorgt über die Bezeichnung ,far right‘ gewesen.“Luce habe den Artikel dann in Richtung einer „informativeren Beschreibung“abgeändert. Tatsächlich steht in der Onlineausgabe nunmehr: „... Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der eine Koalition anführt, die die extreme Rechte einschließt.“Dem Journalisten wäre auch die Bezeichnung „Ermöglicher der extremen Rechten“passend erschienen. Entschuldigt habe sich der Autor jedenfalls nicht, wie er selbst behauptet.
Nach Recherchen des Standard hat es mit der Financial Times nach dem Erscheinen des Kom- mentars mehrere Kontaktaufnahmen gegeben. Die Botschaft in Washington war von Wien aus ersucht worden, bei Gelegenheit den Autor des Kommentars anzusprechen. Die Darstellung des Kanzlers als „far right“sei nicht gerechtfertigt. „Wir finden, dass das als Beschreibung des Kanzlers nicht korrekt ist, das haben wir zum Ausdruck gebracht“, heißt es in Wien. Es gehöre prinzipiell auch zu den Aufgaben von Botschaften, die laufende Berichterstattung mitzuverfolgen.
Interventionen bei Medien sind keine Seltenheit, auch die Mitarbeiter von Kurz melden sich. Nach eigenen Angaben tun sie das dann, wenn sie den Eindruck haben, dass ein Thema inhaltlich nicht richtig dargestellt wurde oder ihr Chef in ein ganz falsches Licht gerückt werde. Dann könne um eine faktische Richtigstellung oder um Aufklärung ersucht werden, freilich nur dann, wenn es inhaltlich auch wichtig genug sei, heißt es. (völ)