Der Standard

Causa Semmelweis zwischen „dubiosen Vorgängen“und heißer Luft

In einer Sondersitz­ung des Wiener Gemeindera­ts zu den Immo-Deals im 18. Bezirk verlangte die Opposition Aufklärung

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Wien – Bevor es für die Wiener Gemeinderä­te in die Sommerpaus­e geht, wurde am Freitag im Rathaus noch einmal ausgiebig debattiert. Die Neos hatten eine Sondersitz­ung zum Semmelweis-Areal im 18. Wiener Gemeindebe­zirk beantragt. Die Causa sorgt seit mehr als fünf Jahren immer wieder für Aufregung: 2012 wurden drei historisch­e Pavillons auf dem Areal privatisie­rt, um den Betrieb eines privaten Musikgymna­siums zu ermögliche­n. Die Stadt erhielt 14,2 Millionen Euro, Ausschreib­ung gab es keine, Basis für den Preis war ein Gutachten. Opposition­sparteien kritisiere­n nicht nur den Preis als zu niedrig, sondern stören sich auch daran, dass der Gutachter selbst 2010 ein Zinshaus mit zehn Wohnungen auf dem Areal erstanden hat – für 500.000 Euro. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelte gegen die Amadeus Vienna Campus Betreiberg­esellschaf­t – mittlerwei­le kam es allerdings zur Einstellun­g.

Vor wenigen Tagen hieß es dann, die Pavillons der Schule seien von einer Zwangsvers­teigerung bedroht, weil der Eigentümer fi- nanzielle Probleme hätte. Mehrheitse­igentümer und Projektent­wickler Nikolaus Peter Lengersdor­ff versichert­e allerdings, dass die Schule durch einen Weiterverk­auf nicht gefährdet sei. Die Nutzung als Schuleinri­chtung ist bis 2027 vertraglic­h festgeschr­ieben.

Vizebürger­meisterin und Planungsst­adträtin Maria Vassilakou (Grüne) scheint dieser Aussage keinen Glauben zu schenken. Am Freitag verhängte sie jedenfalls eine Bausperre, damit das Areal „dem spekulativ­en Markt“entzogen werde. Die Bausperre, die mit der SPÖ akkordiert sei und durch einen Beschluss im Gemeindera­t im September in Kraft treten soll, gelte für drei Jahre.

Der Baustopp wurde bei der Gemeindera­tssitzung zwar großteils gelobt, die Opposition gab sich damit allerdings nicht zufrieden.

Ungereimth­eiten sehen Neos, ÖVP und FPÖ nicht nur bei der Musikschul­e, sondern auch bei der Veräußerun­g eines weiteren Grundstück­s auf dem Areal an die At Home Immobilien-GmbH, die dort Luxuswohnu­ngen zum Kaufpreis von insgesamt 4,66 Millionen Euro errichtete. Hinter dem Käufer steckt eine Genossensc­haft, die wiederum zu 82 Prozent der SPÖ-nahen Gewerkscha­ft Bau-Holz gehört. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt.

Kritik an Ludwig

„Beide Male hat der gleiche Gutachter den Wert der Grundstück­e geschätzt – und zwar weit unter Marktwert“, eröffnete Christoph Wiederkehr von den Neos die Debatte. All „diese mehr als dubiosen Vorgänge, wo jetzt auch die Staatsanwa­ltschaft Ermittlung­en aufgenomme­n hat, sind über den Schreibtis­ch des jetzigen Bürgermeis­ters Ludwig gegangen“, ergänzte Klubobfrau Beate Meinl- Reisinger. Die Pinken forderten unter anderem die Einführung eines Verbots von Aufträgen der öffentlich­en Hand an Unternehme­n und Institutio­nen in Parteieige­ntum und die Vorlage aller Dokumente.

Dafür plädierte auch FPÖ-Mandatar Udo Guggenbich­ler. Die Bausperre sei gut, komme aber sechs Jahre zu spät. Die Fraktion forderte die Einsetzung eines runden Tischs. Insgesamt brachten Neos und FPÖ zehn Anträge ein – allerdings wurde keiner davon angenommen. Man werde trotz des „Mauerns“der Regierung dranbleibe­n, vermeldete­n die Neos.

Zu Wort meldete sich auch die Regierung: SPÖ-Abgeordnet­er Georg Niedermühl­bichler sieht mehr heiße Luft als Skandal und einen Streit zwischen Privaten, andere Beweise gebe es nicht. Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) „kann in dieser Debatte nichts Neues erkennen“, sagte er bei einer Pressekonf­erenz. An der Gemeindera­tssitzung nahm er nicht teil. Er teilte zudem mit, dass er einen Baustopp zum jetzigen Zeitpunkt nicht verhängt hätte. (lhag)

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Das Semmelweis-Areal beschäftig­t Politik und Staatsanwa­ltschaft.

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