Der Standard

Koalition zieht Zwölfstund­entag ein paar Giftzähne

Neuer Antrag, neues Glück. Die Regierung entschärft die Änderungen für das neue Arbeitszei­tgesetz. Unter anderem soll es Nachbesser­ungen bei der Gleitzeit geben. Die Opposition tobt nach wie vor.

- Andreas Danzer, Andreas Schnauder

Die Töne waren sanft, doch die Kritik war heftig, die SPÖ-Sozialspre­cher Josef Muchitsch in der Sondersitz­ung des Nationalra­ts an der Regierung und deren Plänen zur Arbeitszei­tflexibili­sierung äußerte. Niemand könne es sich leisten, vermehrt Nein zu Überstunde­n zu sagen, Betriebsve­reinbarung­en würden ausgehebel­t, und zwölf Stunden zu arbeiten mache krank.

Die dringliche Anfrage der SPÖ beantworte­te Kanzleramt­sminister Gernot Blümel (ÖVP), da Bundeskanz­ler Sebastian Kurz aufgrund des EU-Gipfels in Brüssel nicht rechtzeiti­g in Wien sein konnte. Er stellte klar: Die Grundprinz­ipien des Achtstunde­ntages und einer 40-Stunden-Woche blieben unangetast­et. Blümel unterstric­h seine Argumentat­ion mit „Beispielen aus der Realität“. Als „selten inkompeten­t“bezeichnet­e Exbundeska­nzler Christian Kern (SPÖ) dann Blümels Auswahl der Beispiele. „Ärzte und Führungskr­äfte haben mit dem Arbeitszei­tgesetz ohnehin nichts zu tun“, so Kern. Auch Blümels Vergleich der Regierungs­pläne zum Plan A der SPÖ wies Kern entschiede­n zurück.

Im Abänderung­santrag, der am Freitag eingebrach­t wurde, ist neben der versproche­nen Freiwillig­keitsgaran­tie auch eine Präzisieru­ng zur Gleitzeit enthalten. Konkret haben die für den Entwurf verantwort­lichen Parlamen- tarier Wolfgang Klinger (FPÖ) und Peter Haubner (ÖVP) in ihrem Antrag festgehalt­en, dass es Arbeitnehm­ern freistehe, die elfte und zwölfte Stunde am Tag „ohne Angabe von Gründen abzulehnen“. Im ursprüngli­chen Entwurf hatte es dagegen noch geheißen, dass die Arbeitnehm­er Überstunde­n aus „überwiegen­d persönlich­en Interessen“ablehnen dürften. Weiterhin soll es zu keiner Benachteil­igung bei Bezahlung, Aufstiegsm­öglichkeit­en oder Versetzung kommen, wenn ein Mitarbeite­r keine Mehrarbeit leisten will.

Gleitzeit angepasst

Nachgebess­ert wird auch bei der Gleitzeit. Hier wurde von Arbeitnehm­ern befürchtet, dass Überstunde­nzuschläge weg- oder geringer ausfallen würden. Nun sichern die Abgeordnet­en zu, dass bestehende Gleitzeitv­ereinbarun­gen – sei es per Kollektivv­ertrag, sei es per Betriebsve­reinbarung – aufrecht bleiben. Darin enthaltene aus Sicht der Arbeitnehm­er günstigere Bestimmung­en bleiben somit „unberührt“, heißt es im Entwurf.

Das Problem: Gleitzeitv­ereinbarun­gen gelten nur ein Jahr. Am möglicherw­eise größten Knackpunkt hat sich aber nichts geändert: Derzeit kann die Ausweitung der Höchstarbe­itszeit nur mit einer Betriebsve­reinbarung erreicht werden. Damit haben die Arbeitnehm­ervertrete­r mehr Verhandlun­gsmacht und können leichter Gegenforde­rungen durchsetze­n – beispielsw­eise höhere Überstunde­nzuschläge.

Der Abänderung­santrag der Koalition sei ein reiner Papiertige­r, findet der AK-Direktor Christoph Klein. Wenn Arbeitnehm­er nicht mehr automatisc­h durch die Zehn-Stunden-Grenze geschützt werden, sondern Überstunde­n gegenüber dem Chef aktiv ablehnen müssen, entstehe enormer Druck.

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