Koalition zieht Zwölfstundentag ein paar Giftzähne
Neuer Antrag, neues Glück. Die Regierung entschärft die Änderungen für das neue Arbeitszeitgesetz. Unter anderem soll es Nachbesserungen bei der Gleitzeit geben. Die Opposition tobt nach wie vor.
Die Töne waren sanft, doch die Kritik war heftig, die SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch in der Sondersitzung des Nationalrats an der Regierung und deren Plänen zur Arbeitszeitflexibilisierung äußerte. Niemand könne es sich leisten, vermehrt Nein zu Überstunden zu sagen, Betriebsvereinbarungen würden ausgehebelt, und zwölf Stunden zu arbeiten mache krank.
Die dringliche Anfrage der SPÖ beantwortete Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP), da Bundeskanzler Sebastian Kurz aufgrund des EU-Gipfels in Brüssel nicht rechtzeitig in Wien sein konnte. Er stellte klar: Die Grundprinzipien des Achtstundentages und einer 40-Stunden-Woche blieben unangetastet. Blümel unterstrich seine Argumentation mit „Beispielen aus der Realität“. Als „selten inkompetent“bezeichnete Exbundeskanzler Christian Kern (SPÖ) dann Blümels Auswahl der Beispiele. „Ärzte und Führungskräfte haben mit dem Arbeitszeitgesetz ohnehin nichts zu tun“, so Kern. Auch Blümels Vergleich der Regierungspläne zum Plan A der SPÖ wies Kern entschieden zurück.
Im Abänderungsantrag, der am Freitag eingebracht wurde, ist neben der versprochenen Freiwilligkeitsgarantie auch eine Präzisierung zur Gleitzeit enthalten. Konkret haben die für den Entwurf verantwortlichen Parlamen- tarier Wolfgang Klinger (FPÖ) und Peter Haubner (ÖVP) in ihrem Antrag festgehalten, dass es Arbeitnehmern freistehe, die elfte und zwölfte Stunde am Tag „ohne Angabe von Gründen abzulehnen“. Im ursprünglichen Entwurf hatte es dagegen noch geheißen, dass die Arbeitnehmer Überstunden aus „überwiegend persönlichen Interessen“ablehnen dürften. Weiterhin soll es zu keiner Benachteiligung bei Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten oder Versetzung kommen, wenn ein Mitarbeiter keine Mehrarbeit leisten will.
Gleitzeit angepasst
Nachgebessert wird auch bei der Gleitzeit. Hier wurde von Arbeitnehmern befürchtet, dass Überstundenzuschläge weg- oder geringer ausfallen würden. Nun sichern die Abgeordneten zu, dass bestehende Gleitzeitvereinbarungen – sei es per Kollektivvertrag, sei es per Betriebsvereinbarung – aufrecht bleiben. Darin enthaltene aus Sicht der Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen bleiben somit „unberührt“, heißt es im Entwurf.
Das Problem: Gleitzeitvereinbarungen gelten nur ein Jahr. Am möglicherweise größten Knackpunkt hat sich aber nichts geändert: Derzeit kann die Ausweitung der Höchstarbeitszeit nur mit einer Betriebsvereinbarung erreicht werden. Damit haben die Arbeitnehmervertreter mehr Verhandlungsmacht und können leichter Gegenforderungen durchsetzen – beispielsweise höhere Überstundenzuschläge.
Der Abänderungsantrag der Koalition sei ein reiner Papiertiger, findet der AK-Direktor Christoph Klein. Wenn Arbeitnehmer nicht mehr automatisch durch die Zehn-Stunden-Grenze geschützt werden, sondern Überstunden gegenüber dem Chef aktiv ablehnen müssen, entstehe enormer Druck.