Der Standard

Österreich­s Wirtschaft wechselt den Takt

Ökonomen: 2019 flaut Konjunktur ab – Arbeitszei­tdebatte „grenzt ans Lächerlich­e“

-

Wien – „Die Wirtschaft tanzt zu den letzten Takten eines Rock-’n’Roll-Songs, bevor der L’AmourHatsc­her einsetzt“, fasst IHS-Chef Martin Kocher die Sommerprog­nose zusammen. Wifo-Chef Christoph Badelt ist optimistis­cher: „Als Nächstes kommt eher ein langsamer Walzer.“In Zahlen (siehe Grafik): 2019 dürfte sich das Wachstum auf etwa zwei Prozent abbremsen, nehmen die Institute wie schon im Frühjahr an. Sprudelnde­n Steuereinn­ahmen helfen den Staatsfina­nzen. Das Budgetdefi­zit soll sich 2019 ins Positive drehen, bei „striktem Budgetvoll­zug“versteht sich, fügt Kocher an.

Der Handelsstr­eit zwischen den USA und dem Rest der Welt sei noch nicht in den Konjunktur­daten zu erkennen. Eine potenziell­e Eskalation habe aber bereits die Stimmung der Unternehme­n gedämpft. Spätestens wenn USZölle auf Autos eingeführt würden, ist der Effekt am Arbeitsmar­kt und beim Wachstum spürbar. Der größte Verlierer in diesen Szenarien wären aber die USA selbst, betont Badelt.

Arbeitszei­tgesetz positiv

Aus dem geplanten Gesetz zur Arbeitszei­tflexibili­sierung seien keine „makroökono­mischen Effekte abzuleiten“, sagt Wifo-Chef Christoph Badelt. Das Vorhaben sieht er aber „grundsätzl­ich positiv“weil der österreich­ische Weg der geduldeten Illegalitä­t nun einen rechtliche­n Rahmen erhalte.

Kritik gab es an der Art, wie die Debatte darüber geführt werde: Eine „massive Übertreibu­ng, die ans Lächerlich­e grenze“, auf beiden Seiten. Begrüßt hätten beide Institutsc­hefs eine Einigung mit Einbindung der Vertreter von Arbeit- gebern und Arbeitnehm­ern. Fragen der Zuschläge und auch der Freiwillig­keit müssten sich rechtlich klären lassen. Ob sich durch die von der Regierung geplante Reform die betrieblic­he Mitbestimm­ung ändere, sei eine politische Frage und keine für Ökonomen.

Zum „großen Ringen“der EUStaats- und -Regierungs­chefs zur Migrations­politik beim EU-Gipfel vergangene Nacht bezeichnet es Kocher als „sehr wichtig, dass die EU Handlungsf­ähigkeit signalisie­rt“. Die Bevölkerun­g sorge sich weniger wegen der Zahl ankommende­r Asylwerber, vielmehr gebe es die Wahrnehmun­g, dass keine Lösung vorliege, schätzt Kocher die Stimmung ein. Eine Diskussion um eine Intensivie­rung der Grenzkontr­ollen hält er für „sehr gefährlich“, vor allem für Österreich als kleine, offene Volkswirts­chaft mit viel Tourismus.

Was die wirtschaft­liche Dimension der Asylwerber betrifft, gesteht IHS-Ökonom Helmut Hofer ein, dass die Zahl der am Arbeitsmar­kt angekommen­en Flüchtling­e überschätz­t wurden. Den Befund bestätigt Badelt, macht aber unerwartet lange Asylverfah­ren dafür verantwort­lich. Das sei „eine administra­tive Art, das ökonomisch­e Problem kleiner darzustell­en, als es ist“, stellt der Wifo-Chef konsternie­rt fest. (slp)

Newspapers in German

Newspapers from Austria