Jazz aus Nashville und anderswo
Es hat zwar schon begonnen, aber nur ein bisschen. Am Wochenende aber, da nimmt das Wiener Jazzfest richtig Fahrt auf – trotz einer bitteren Absage. Ein kleiner Ausblick auf das heurige Programm.
Jazzfest ist. Echt. Wer es noch nicht bemerkt hat, es läuft seit Mitte Juni. Da gastierte Kris Kristofferson in der Wiener Stadthalle. Der Auftritt des bekannten Jazzsängers läutete offiziell den Beginn des Wiener Jazzfests ein. Man könnte jetzt über die Eingemeindung dieses Konzertes ebenso meditieren wie über die Jazzaffinität des Countrysängers, Songwriters und Schauspielers – aber das zöge möglicherweise eine gewisse Melancholie nach sich.
Zehn Tage später ging es mit ersten Konzerten zögerlich wirklich los, ab dem heutigen Samstag könnte so etwas wie Festivalstimmung aufkommen. Um schlappe 2 Euro sind auf dem charmebedürftigen Gelände der Wien-Energie in der Spittelau die Afro-Cuban All Stars zu erleben. Die wievielte Besetzung das genau ist, wissen höchstens die All Stars selbst, sie werden jedenfalls versuchen, Son, Rumba und Co unter widrigen Standortbedingungen halbwegs würdevoll aufzuführen. Sie sind mit den Groovern Count Basic und den Progressivliedermachern von 5/8erl in Ehr’n als Platzhirsche zu erleben.
Croonen und Crazy
Am 3. Juli präsentiert der aus der Klassik kommende Bassbariton Thomas Quasthoff in der ihm wohlbekannten Staatsoper ein extra für das Jazzfest Wien erarbeitetes Programm. Begleitet wird er von der Big Band des Orchesters der Vereinigten Bühnen Wien. Tags darauf, selber Ort. Zuerst wird Louie Austen barcroonerisch die Logen der Oper besingen und bezirzen, bevor Melody Gardot ihre zwischen Schmalz und Schmelz pendelnden Balladen vortragen wird. Sie hat soeben – wie passend – ihr Album Live in Europe veröffentlicht.
Am 6. Juli läuten – wieder in der Oper – die Glocken Weltstaralarm. CeeLo Green wird seine beachtliche Stimme erheben.
Der 43-jährige US-Amerikaner hat zusammen mit Produzent Danger Mouse unter dem Namen Gnarls Barkley den Welthit Crazy produziert. Green war dessen Stimme, 2006 war das. Seit damals konnte der stattliche Star zwar nicht ebenso erfolgreich nachlegen, zumindest zu Hause in den USA führt er aber ein beschauliches Popstarleben mit Barack Obamas privater Telefonnummer im Cellphone.
Ein bisserl super
Ebenso im Soul – nur ganz anders – ist Corinne Bailey Rae verortet. Die 39-jährige Britin ist mit ihren beseelten Balladen immens erfolgreich und wäre mit der ursprünglich für denselben Tag gebuchten Bettye Lavette eine Bank gewesen – doch Lavette hat abgesagt. Bailey Rae singt gut abgehangenen Mitdempo-Soul für angstfreie Überlandfahrten im Mittelklassemietauto. Ein bisserl super, ein bisserl wurscht.
Mit LaVette hätte das ein spannendes Doppel ergeben – eine Art Vorher- und Nachhereinblick ins Thema.
Jazz, Pop, Kunstlied
Jazz gibt’s beim Jazzfest auch, vornehmlich in den kleinen Clubs, dem Jazzland, im Reigen und im Porgy & Bess, etwa die Briten von Mamal Hands (5. 7., Porgy). Gefühlvolles Kunstlied am Cello bietet der US-Amerikaner Gabriela Royal. Souliges Songwriting und Laptop-Soul bieten Rhys Lewis (1. 7., Porgy & Bess) oder Her (10. 7.) gratis am Rathausplatz. Her war ursprünglich das Projekt des Duos Victor Solf und Simon Carpentier. Das Weiterbestehen von Her war unklar, nachdem Carpentier im Vorjahr an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben war. In neuer Besetzung gastiert die französische Band nun erstmals in Österreich.