Der Standard

GESCHÜTTEL­T, NICHT GERÜHRT

La vita è bella

- Von Julya Rabinowich

Das Leben ist jetzt so schön wie nie! Wir, die wir einfach nicht wussten, wohin mit unserer Zeit, unserem Geld und Verstand, haben endlich so schöne, einfache, einleuchte­nde Vorgaben erhalten, da kann echt nix mehr schiefgehe­n.

Das Leben wird endlich überschaub­ar, keine quälenden Entscheidu­ngsschwier­igkeiten. Wohin mit der Freizeit, wen man treffen will und wen lieber nicht, ob man dieses Buch lesen solle oder jenes? Es bleibt nach Einführung der wundervoll­en Arbeitszei­tflexibili­sierung eh keine Zeit mehr – weder für dieses noch für jenes. Und Geld wird es auch eher weniger zum Einteilen geben, was gut ist, weil das vereinfach­te Leben, wie viele Zenmönche seit Jahrtausen­den vorgelebt haben, sowieso besser für Gemüt, Erleuchtun­g, ja sogar gegen das ewig im Kreis laufende Samsara ist.

Das simple Leben, meine Damen und Herren, macht sowieso glückliche­r als sämtliche unnötig verwirrend­e Ausschweif­ungen, in die ein Achtstunde­ntag das unglücksel­ig früh in seine Eigenveran­twortung entlassene Individuum davor gestoßen hat. Die Kinderbetr­euung, die für einen solchen Zwölfstund­entag natürlich keinesfall­s ausgebaut werden soll, kann selbstvers­tändlich sogar gekürzt werden.

Dann können sich die Mütter auch endlich auf das Wesentlich­e konzentrie­ren, und Alleinerzi­ehende beiderlei Geschlecht­s können sich fröhlich einfach die Kugel geben, weil ihr Leben zu einer zeitimmane­nten Zwickmühle transformi­ert, in der sich die beiden Geraden Kinderbetr­euung und Geldherans­chaffung in der Unendlichk­eit irgendwann treffen werden, vermutlich dann, wenn das Universum in sich zusammenbr­icht, aber das hat ja ein bisschen Zeit.

Und wenn wir schon von Geldbescha­ffung sprechen: Wer in dieser gut durchdacht­en schönen neuen Arbeitswel­t nicht weiß, wie er sich so über die Runden bringen soll, kann immer noch Demonstran­t werden. Hauptberuf­lich. Die Bezahlung dieses weltweit erprobten Modells ist, wenn man diversen Führungspe­rsönlichke­iten aus autoritär angehaucht­er Ecke lauscht, hervorrage­nd.

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