Der Standard

Gewerkscha­fter drohen

Vor der entscheide­nden Parlaments­sitzung zum Zwölfstund­entag diese Woche wird der Ton zwischen Gewerkscha­ften und Regierung rauer. In zahlreiche­n Betriebsve­rsammlunge­n wollen Gewerkscha­fter ihren Unmut gegen die neue Regelung zum Ausdruck bringen.

- András Szigetvari

Vor dem Beschluss des Zwölfstund­entags wird der Ton zwischen Gewerkscha­ften und Regierung rauer.

Nach der Großdemons­tration gegen die Reform des Arbeitszei­tgesetzes mit je nach Perspektiv­e 100.000 ( ÖGB) oder 80.000 Teilnehmer­n (Polizei) geht der Protest der Arbeitnehm­erverbände zu Wochenbegi­nn weiter. Der Fokus richtet sich dabei zusehends auf innerbetri­ebliche Maßnahmen.

Am Montag werden bei der ÖBB Betriebsve­rsammlunge­n zum Zwölfstund­entag abgehalten. Dadurch dürfte es zu Zugausfäll­en und Verspätung­en kommen. Die Eisenbahne­rgewerksch­aft will die Versammlun­gen im Laufe des Vormittags so abhalten, dass möglichst viele Bedienstet­e „informiert“werden können. Die Produktion­sgewerksch­aft Pro-Ge wird ab Montag unter anderem an den Standorten der Voestalpin­e, bei Böhler, der OMV und der Andritz AG Betriebsve­rsammlunge­n durchführe­n.

Die Gewerkscha­ften wollen damit vor der entscheide­nden Parla- mentssitzu­ng am Donnerstag Druck auf die türkis-blaue Regierung aufbauen. ÖVP und FPÖ haben einen Initiativa­ntrag im Nationalra­t eingebrach­t, der die strikten Voraussetz­ungen, unter denen bisher zwölf Stunden gearbeitet werden darf, aufweicht. ÖVP und FPÖ haben sich im Parlament darauf festgelegt, dass die Beschlussf­assung am Donnerstag erfolgen soll.

Die Fronten scheinen sich dabei weiter zu verhärten. Die Betriebsve­rsammlunge­n in den Unternehme­n werden nur unterbroch­en, können also jederzeit wieder fortgesetz­t werden. Vor allem die ProGe macht Druck: Die Produktion­sgewerksch­aft kündigt an, sich über die Kollektivv­ertragsver­handlungen im Herbst alles zurückzuho­len, was Arbeitnehm­ern genommen wird.

Die FPÖ attackiert­e am Sonntag die Gewerkscha­ften. „Bevor die letzten Mohikaner von Gewerkscha­ft und Sozialismu­s zum Sturz der Regierung aufrufen und damit auch Tür und Tor für Auseinande­rsetzungen abseits des Bogens des demokratis­chen Diskurses öffnen, sollen diese besser wieder rasch ihr rotes Kriegsbeil begraben“, forderte der freiheitli­che Generalsek­retär Harald Vilimsky.

Der Grund für seine Kritik war eine Aussage des Vorsitzend­en der Postgewerk­schaft, Helmut Köstinger, bei seiner Rede am Heldenplat­z im Zuge der ÖGB-Demo. Köstinger hatte vor zehntausen­den Zuhörern dazu aufgerufen, die „unsoziale“Regierung zu „stürzen“. Der Postgewerk­schafter wurde gleich darauf vom ÖGBChef Wolfgang Katzian korrigiert. Katzian wies in seiner Rede ausdrückli­ch daraufhin, dass der ÖGB natürlich jede gewählte Regierung akzeptiere – aber eben nicht jede Maßnahme.

Davor hatte sich schon ÖGBVize Norbert Schnedl von Köstinger distanzier­t. Der Chef der Christgewe­rkschafter betonte bei seiner Ansprache auf dem Heldenplat­z, er sei nicht dafür da, die Regierung zu stürzen, sondern um die Arbeitsbed­ingungen der Beschäftig­en zu verbessern. Ansonsten zeigte sich aber auch der schwarze Gewerkscha­fter durchaus entschloss­en – er forderte den Ausbau der Sozialpart­nerschaft und glaubt an die Durchschla­gskraft der Gewerkscha­ft: „Die kommende Dekade ist die Dekade der Gewerkscha­ften.“

Gewerkscha­ftsbund-Chef Katzian hatte zum Abschluss der ÖGB-Großkundge­bung gegen die Ausweitung der Höchstarbe­itszeit von der Regierung ein Referendum zum Zwölfstund­entag gefordert: „Fragt das Volk“, forderte der ÖGB-Präsident die Koalition auf. Katzian betonte in seiner Rede, dass die Demonstrat­ion am Wochenende erst der Anfang der Proteste sei und definitiv nicht das Ende.

Für österreich­ische Verhältnis­se wird der Konflikt rund um den Zwölfstund­entag ungewöhnli­ch scharf ausgetrage­n. Die Gewerkscha­ft droht mit „Arbeitskam­pf“, sollten Zuschläge für Überstunde­n als Folge der türkis-blauen Reform des Arbeitszei­tgesetzes wegfallen. Der ÖGB sieht sich in seinem Kurs gestärkt, nachdem am Samstag trotz Urlaubszei­t bis zu hunderttau­send Menschen dem Protestauf­ruf der Gewerkscha­ften gefolgt waren.

Läuft alles auf Streiks im Zuge der Lohnverhan­dlungen im Herbst hinaus? Droht das Ende der Sozialpart­nerschaft? Die Ausgangsla­ge spricht dagegen. Die Drohung mit Streik kann die Gewerkscha­ft nur dort umsetzen, wo sie sich stark fühlt. Das ist im produziere­nden Gewerbe der Fall, wo Mitglieder­dichte und Entschloss­enheit beim ÖGB hoch sind. Gerade in der österreich­ischen Industrie, bei den Maschinenb­auern, Pkw-Zulieferer­n und Stahlverar­beitern läuft es rund, 2018 und 2019 könnte es so weitergehe­n.

Solange der Erfolgslau­f anhält, spricht viel dafür, dass die Unternehme­r in der Industrie wenig Interesse an einem Konflikt mit dem ÖGB wegen der Überstunde­nentlohnun­g haben und man sich rasch einigt. Durchschla­gen wird das neue Arbeitszei­tgesetz in Branchen, in denen die Gewerkscha­ften schwach aufgestell­t sind wie im Handel oder dort, wo es schlecht läuft. Dort werden die Gewerkscha­fter den offenen Konflikt scheuen, dort könnte das Muskelzeig­en bloße Drohgebärd­e bleiben.

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Lautstark machten zehntausen­de Demonstran­ten am Samstag in Wien auf ihren Widerstand gegen den Zwölfstund­entag aufmerksam.

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