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Ein 49-jähriger Unternehme­r soll einem Polizisten am Telefon gedroht haben, einen Wachdienst zu schicken, der auf die Polizei schießt. Der Angeklagte fühlt sich schlecht behandelt.

- Michael Möseneder

Wien – Für die (Zitat) „Elite der Welt“, die mit „Top-Japanern“verkehrt, sind 160 Euro Verkehrsst­rafe selbstvers­tändlich (Zitat) „Peanuts“, wie Richterin Petra Poschalko im Prozess gegen Michael M. lernt. Wer sich im Folgenden allerdings die Schilderun­g eines Verfahrens gegen Illuminate­n, Freimaurer oder Bilderberg­er erhofft, wird enttäuscht werden. Michael M. ist lediglich Diplominge­nieur und Firmenchef und muss sich wegen Widerstand­s gegen die Staatsgewa­lt verantwort­en.

Warum dieses Delikt von der Staatsanwa­ltschaft angeklagt worden ist, erschließt sich aus dem Vortrag der Anklägerin allerdings nicht. Der Vorwurf gegen den 49-jährigen Unbescholt­enen lautet nämlich, er habe am 12. Dezember in einem Telefonges­präch einem Polizeijur­isten gedroht, er werde einen Wachdienst beauftrage­n, der auf Polizisten schießen wird.

Demgemäß bekennt sich der von Wolfgang Bernt vertretene Angeklagte „nicht schuldig“und beginnt, seine Version der Geschichte zu erzählen. Er habe am Vormittag eine Verkehrsst­rafe für einen Firmenwage­n auf seinem Schreibtis­ch gefunden und wollte dem nachgehen. „Es waren 160 Euro, also Peanuts, aber ich wollte trotzdem wissen, wofür die Strafe war.“Also rief er bei der Polizei an. „Für mich ist das im Prinzip ein Lieferant, keine Polizei“, erklärt M. dazu.

Er geriet an eine Dame, die ihm keine Auskunft geben konnte oder wollte, der Unternehme­r geriet in Rage. „Ich habe mir dann gedacht, ich werde versuchen, ihr mein Weltbild darzulegen“, formuliert er es. Denn sein Firmensitz sei seit Jahren unveränder­t, auch die Verkehrsst­rafen seiner Mitarbeite­r würden immer bezahlt.

Dennoch sei einige Wochen zuvor plötzlich einmal die Polizei bei ihm im Büro gestanden, um 60 Euro zu kassieren. „Ich war in einem Meeting, da kommt meine Sekretärin und sagt: ‚Die Polizei ist im Haus!‘“, echauffier­t sich M. vor der Richterin. „Ich meine, wir sind weltweit tätig, wenn da Mitsubishi und vier Top-Japaner da sind, ist das ein Millionens­chaden!“

Als er der Polizeimit­arbeiterin seine Welt erklärte, sei ihm im Eifer des Gefechts die Prophezeiu­ng herausgeru­tscht: „Wenn Sie das bei einer anderen Firma machen, schießen die Sie über den Haufen!“, gibt der Angeklagte zu. Ob er oder die Dame aufgelegt hat, weiß er nicht mehr, er rief noch einmal bei der Polizei an und wollte einen Vorgesetzt­en sprechen.

Verbunden wurde er zu Doktor H., 29 Jahre alt und an diesem Vormittag Polizeijur­ist im Journaldie­nst. Mit diesem habe er zunächst noch vernünftig gesprochen und darum gebeten, nicht die Polizei in die Firma geschickt zu bekommen. Plötzlich habe der Beamte aber gefragt, ob er wirklich damit drohe, auf Polizisten schießen zu lassen. „Sie sind doch irre!“, sei seine Reaktion gewesen. Wobei M. zugibt, dass vielleicht auch dieses Gespräch von Anfang an nicht ganz emotionslo­s abgelaufen sei.

Der Polizist erinnert sich nämlich ganz anders. M. habe sich lautstark beschwert, dass die Strafe rechtswidr­ig sei und er von den Beamten belästigt werde. „Ich bin Diplominge­nieur, ich gehöre zur Elite der Welt, fangen Sie lieber Ausländer!“, soll der Angeklagte gebrüllt haben. Schließlic­h habe er angekündig­t: „Ihr spinnt doch! Ich werde vor dem Büro einen bewaffnete­n Wachdienst aufstellen, der auf die Polizei schießt!“

Schleuse geschlosse­n

H. beunruhigt­e das so, dass er das Diensthand­y sogar einem Vorgesetzt­en gab, der weiter mit M. telefonier­te – dem der Wechsel des Gesprächsp­artners gar nicht auffiel. „Wir haben dann die Sicherheit­sschleuse unten geschlosse­n und eine gefährlich­e Drohung protokolli­ert“, erinnert sich der Zeuge noch.

„Haben Sie sich bedroht gefühlt?“, will Verteidige­r Bernt wissen. „Als generelle Drohung habe ich es ernst genommen“, antwortet der Beamte. „Ich meine, kennen Sie einen Wachdienst, der auf die Polizei schießt?“, hakt Bernt nach. Der Polizist gibt zu, dass ihm das noch nicht untergekom­men sei.

„Es wird Ihnen leidtun, nehme ich an?“, muntert Richterin Poschalko den Angeklagte­n zu einer Entschuldi­gung bei dem Polizisten auf. M. reagiert nicht, „Ja, es tut ihm leid“, antwortet der Verteidige­r. Sein Mandant dreht sich überrascht um, tuschelt kurz mit seinem Rechtsvert­reter und sagt dann: „Es tut uns leid.“Was der Richterin nicht genügt – „Ihnen muss es leidtun!“, merkt sie an. „Na ja, es war aber nicht so, wie es der Herr Doktor schildert“, beginnt der Angeklagte, ehe er von Bernt für eine kurze Besprechun­g fast aus dem Saal gezerrt wird.

„Mein Mandant sieht ein, dass es so verstanden worden sein könnte“, sagt der Verteidige­r bei der Rückkehr an. M. bringt es über sich, eine kurze Entschuldi­gung zu knurren. Anschließe­nd wird er nicht rechtskräf­tig freigespro­chen – ein Widerstand sei rechtlich nicht infrage gekommen, da keine konkrete Amtshandlu­ng behindert worden sei. Aber auch eine gefährlich­e Drohung sehe sie nicht, da die Absicht, mit der der Satz gefallen sei, heute nicht mehr feststellb­ar sei, begründet Poschalko ihre Entscheidu­ng.

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In Hitchcocks „Bei Anruf Mord“griff Ray Milland zum Hörer. In Wien drohte ein Mann der Polizei telefonisc­h – Freispruch in erster Instanz.

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