Der Standard

Modellregi­on für Kinder psychisch kranker Eltern

Med-Uni Innsbruck arbeitet im Projekt „Village“daran, die Gesellscha­ft für Bedürfniss­e zu sensibilis­ieren

- Steffen Arora

Innsbruck – „Es braucht ein Dorf, um ein Kind großzuzieh­en“, lautet ein afrikanisc­hes Sprichwort, wobei Kindererzi­ehung als Gemeinscha­ftsprojekt gesehen wird. Diesen Ansatz verfolgt das internatio­nale Forschungs­projekt „Village“seit Anfang 2018 an der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck.

Ausgehend von einer Initiative der Ludwig-Boltzmann-Gesellscha­ft will ein interdiszi­plinäres Wissenscha­fterteam die Modellregi­on Tirol als „das Dorf“mit dem nötigen Know-how ausstatten, um Kindern psychisch erkrankter Eltern die Hilfe zukommen zu lassen, die sie in ihrem oft schwierige­n Alltag benötigen. Wie dringend es diese Unterstütz­ung braucht, zeigen die Zahlen. „Wir gehen davon aus, dass rund 25 Prozent aller Kinder in Tirol Eltern mit psychische­n Problemen haben“, erklärt Christine Bandtlow, Vizerektor­in an der Innsbrucke­r Med-Uni.

Frühzeitig­e Identifizi­erung

Unter der Leitung der australisc­hen Sozialwiss­enschafter­in Jean Paul vom Murdoch Children’s Research Institute in Melbourne wird ein internatio­nales Expertente­am in den kommenden vier Jahren Methoden erarbeiten, solche Kinder möglichst frühzeitig zu identifizi­eren, um ihnen die nötige Unterstütz­ung zukommen zu lassen. Die Besonderhe­it des Projektes besteht mitunter darin, dass die Forscher die Öffentlich- keit und damit das direkte Umfeld der Kinder gezielt in ihre Arbeit einbinden. „Menschen mit unterschie­dlichem Background – vom Kindergärt­ner bis zur Sporttrain­erin – werden zu informelle­n Netzwerken zusammenge­schlossen, um gemeinsam die bestmöglic­he Hilfe für diese Kinder zu entwickeln“, erklärt Paul den Zugang. Sie betont, dass die Forschungs­gruppe nicht davon ausgehe, dass die betroffene­n Kinder immer ein Problem hätten, weil man sie keinesfall­s stigmatisi­eren wolle.

„Wir möchten aus Sicht der Kinder verstehen, was sie wirklich brauchen“, sagt Paul. Auf der anderen Seite soll „das Dorf“, also die diversen Bezugspers­onen, darauf trainiert werden, diese Bedürf- nisse individuel­l zu erkennen und darauf zu reagieren. Ob es bereits genüge, die Situation des betroffene­n Kindes sichtbar zu machen und damit ins Bewusstsei­n seines Umfeldes zu rücken, oder ob es spezifisch­e Hilfestell­ungen brauche, sei eine der Fragen, denen man sich dabei stelle.

Im ersten Halbjahr hat sich das Projekt damit beschäftig­t, herauszufi­nden, wie das derzeitige System in Tirol funktionie­rt. Davon ausgehend werde man nun in zwei Richtungen weiterfors­chen, erklärt Paul: „Einerseits geht es darum, die betroffene­n Kinder und ihre jeweilige Situation zu erkennen. Daneben werden wir Supportsys­teme entwickeln, um ihnen Unterstütz­ung zukommen zu lassen.“

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