Der Standard

Italiens Industrie will Reformen

Italiens Industriel­lenverband will nicht nur über Migranten reden und fordert von der neuen Regierung Maßnahmen für den Arbeitsmar­kt und den Schuldenab­bau. Zudem müsse mehr gespart werden als veranschla­gt.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

Italiens Wirtschaft übt scharfe Kritik an der Politik der neuen Regierung in Rom. Der Präsident des Industriel­lenverband­es Confindust­ria, Vincenzo Boccia, forderte Rom auf, „nicht nur über Migranten und Pensionen zu reden“. Das seien zwar wichtige, aber nicht die wichtigste­n Probleme, die das Land habe. Eine kohärente Wirtschaft­spolitik, die sich mit der Beschäftig­ung der jungen Generation und dem Thema Arbeit befasse, habe ebenso Vorrang wie der Schuldenab­bau.

Der Unternehme­rverband hat erst vor kurzem seine Wachstumsp­rognose von 1,5 Prozent auf nur 1,3 Prozent gesenkt. Im kommenden Jahr soll diese nur noch 1,1 Prozent statt der vorgesehen­en 1,2 Prozent erreichen.

Zudem werde das Beschäftig­ungswachst­um fast zum Erliegen kommen. „Wir können nicht weitermach­en wie bisher. Auf die Mehrwertst­euererhöhu­ng verzichten und die geplanten Maßnahmen über ein höheres Defizit finanziere­n“, kritisiert­e der Chef des Unternehme­rverbands. Es drohe nicht weniger als „der Niedergang des Landes“.

Nicht nur aus Sicht der Confindust­ria müssen 2018 gegenüber ursprüngli­chen Plänen neun Milliarden Euro und kommendes Jahr sogar elf Milliarden Euro eingespart werden, damit Italien die EU-Vorgaben einhalten kann. Der Verband erwartet mit 1,9 Prozent in diesem und 1,4 Prozent 2019 höhere Haushaltsf­ehlbeträge als von der neuen Regierung (1,6 bzw. 1,4 Prozent) veranschla­gt. Die Vorgängerr­egierung hatte 1,4 bzw. 0,8 Prozent angepeilt. Doch die geplanten Maßnahmen der Regierung würden den Haushaltsf­ehlbetrag und die Verschuldu­ng von 131,8 Prozent schnell weiter nach oben treiben. Confindust­ria fordert eine schnelle Umsetzung der Banken- und Kapitalmar­ktunion, ein über Eurobonds finanziert­es europäisch­es Investitio­nsprogramm und einen Eurofinanz­minister. Forderunge­n, die bei der Regierung nicht ankommen.

Würde-Gesetz

Zu Wochenbegi­nn will die Regierung ihr erstes Gesetz, das „Dekret der Würde“erlassen: Vorgesehen sind verschärft­e Regelungen für befristete Arbeitsver­träge, die damit teurer würden. „Befristete Arbeitsver­träge sollen von Unternehme­n nur für beschränkt­e Zeiträume verwendet werden“, sagte der italienisc­he Arbeitsmin­ister und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio. Weiters auf dem Weg zur Gesetzeswe­rdung: Strafen im Fal- le von Produktion­sverlageru­ngen ins Ausland sowie ein Werbeverbo­t für Spielautom­aten. Der Jahresumsa­tz der Glücksspie­lbranche betrage in Italien 20 Mrd. Euro, „davon profitiere­n multinatio­nale Konzerne mit Sitz im Ausland. Glücksspie­le sind ein Unheil für ein ganzes Volk“, kommentier­te das Fünf-SterneParl­amentarier Vito Crimi.

Steuerermä­ßigungen wurden vorerst verschoben, da die Ausgaben keine finanziell­e Deckung finden.

Unterdesse­n warnte die Europäisch­e Zentralban­k vor der geplanten Rückgängig­machung der Rentenrefo­rm. Diese würde schon 2019 Mehrkosten von fünf Mrd. Euro verursache­n und könne das gesamte System destabilis­ieren. IWF-Ökonom Carlo Cotarelli erklärte jüngst, Italiens Staatsvers­chuldung wäre ohne die Maßnahmen der Regierung Mario Monti 2012 (Rentenrefo­rm, Ausgabenkü­rzungen) schon auf 145 Prozent der Wirtschaft­sleistung angestiege­n.

 ??  ?? Der Kurs von Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini schreckt die italienisc­he Wirtschaft, die „nicht nur über Migranten reden“will.
Der Kurs von Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini schreckt die italienisc­he Wirtschaft, die „nicht nur über Migranten reden“will.

Newspapers in German

Newspapers from Austria