Legal Tech kann Junganwälte überflüssig machen
Jurist sieht massive Folgen bei Routinetransaktionen
Wien – Weltweit rüsten sich große Wirtschaftskanzleien mit teurer Software und Computersystemen für große Verfahren, die sie dank Legal Tech besser und günstiger abwickeln wollen. Aber der Bedarf an neuer Technologie im Rechtsbereich ist bei alltäglichen Transaktionen noch viel größer, sagt Christian Oehner, Partner bei PwC Legal, einer mit der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft assoziierten Kanzlei. Liegenschaftsverkäufe, Grundbucheintragungen, Dienstverträge, aber auch der Aufbau einer leicht nutzbaren Vertragsdatenbank in einem Unternehmen oder eine sofortige Auswertung von Lieferverträgen – überall dort könne Legal Tech für mehr Effizienz und geringere Kosten sorgen.
Und das bedeutet auch weniger Geschäft für Anwälte und Notare, ist Oehner überzeugt. „Standardisierte Tätigkeiten bilden mindestens die Hälfte des Umsatzes einer Kanzlei, und die werden durch Automatisierung dramatisch weniger“, sagt er im Standard- Gespräch. Bis zur Hälfte aller Juristenjobs könnten wegfallen, vor allem die Einstiegspositionen in den Kanzleien.
Das erfordere eine neue Karriereplanung. „Wir werden von der jetzigen Pyramidenform, bei der die Jungen die Standardarbeit machen, wegkommen zu einer Diamantenform mit hoher Spezialisierung im Mittelbau“, beschreibt Oehner die wahrscheinlichen Folgen. Wie man dann allerdings jungen Juristen die notwendige Berufserfahrung werde bieten können, „ist mir ein Rätsel“, warnt er.
PwC selbst hat mit Partnervine eine Plattform für einfache rechtliche Dokumente im Internet geschaffen. In der Schweiz sei man damit schon aktiv, in Österreich gebe es noch regulative Hürden, berichtet Oehner. Statt alte Verträge als Vorlage zu verwenden, könnten Unternehmen für einen Preis von 85 bis 430 Euro ein passendes, regelmäßig gewartetes Muster aus dem Internet beziehen.
Regulierung frisst Ersparnis
Die Kostenersparnis durch Legal Tech droht allerdings durch die immer komplexere Regulierung wie zuletzt die DatenschutzGrundverordnung (DSGVO) aufgesogen zu werden, glaubt Oehner. Dafür aber dürfte es dank standardisierter Verträge und Abläufe auch weniger Rechtsstreitigkeiten geben als heute mit maßgeschneiderten Dokumenten. „Die Gerichte werden weniger zu tun haben und sich nur noch um die ausgerissenen Fälle kümmern“, prognostiziert er.
In großen E-Commerce-Konzernen wie Amazon würden die meisten Beschwerden bereits automatisiert abgewickelt werden und kaum noch vor Gerichten landen. Und auch dort schreite die Automatisierung rasch voran und verbessere insgesamt die Rechtssprechung. „Der digitale Gerichtssaal ist eine Realität, die unmittelbar bevorsteht, und das Urteil eines Computers ist in Zukunft vielleicht nicht mit mehr Fehlern behaftet als das eines Menschen.“
Bei den Auswirkungen auf die Branche sieht Oehner wenig Gefahr für Einzelanwälte. „Der Druck liegt viel stärker auf mittleren und großen Kanzleien, aber die großen sind mehr Herr der Lage. Sie haben die Ressourcen, um sich anzupassen.“Aber einfach werde es für niemanden sein.