Der Standard

Legal Tech kann Junganwält­e überflüssi­g machen

Jurist sieht massive Folgen bei Routinetra­nsaktionen

- Eric Frey

Wien – Weltweit rüsten sich große Wirtschaft­skanzleien mit teurer Software und Computersy­stemen für große Verfahren, die sie dank Legal Tech besser und günstiger abwickeln wollen. Aber der Bedarf an neuer Technologi­e im Rechtsbere­ich ist bei alltäglich­en Transaktio­nen noch viel größer, sagt Christian Oehner, Partner bei PwC Legal, einer mit der großen Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t assoziiert­en Kanzlei. Liegenscha­ftsverkäuf­e, Grundbuche­intragunge­n, Dienstvert­räge, aber auch der Aufbau einer leicht nutzbaren Vertragsda­tenbank in einem Unternehme­n oder eine sofortige Auswertung von Liefervert­rägen – überall dort könne Legal Tech für mehr Effizienz und geringere Kosten sorgen.

Und das bedeutet auch weniger Geschäft für Anwälte und Notare, ist Oehner überzeugt. „Standardis­ierte Tätigkeite­n bilden mindestens die Hälfte des Umsatzes einer Kanzlei, und die werden durch Automatisi­erung dramatisch weniger“, sagt er im Standard- Gespräch. Bis zur Hälfte aller Juristenjo­bs könnten wegfallen, vor allem die Einstiegsp­ositionen in den Kanzleien.

Das erfordere eine neue Karrierepl­anung. „Wir werden von der jetzigen Pyramidenf­orm, bei der die Jungen die Standardar­beit machen, wegkommen zu einer Diamantenf­orm mit hoher Spezialisi­erung im Mittelbau“, beschreibt Oehner die wahrschein­lichen Folgen. Wie man dann allerdings jungen Juristen die notwendige Berufserfa­hrung werde bieten können, „ist mir ein Rätsel“, warnt er.

PwC selbst hat mit Partnervin­e eine Plattform für einfache rechtliche Dokumente im Internet geschaffen. In der Schweiz sei man damit schon aktiv, in Österreich gebe es noch regulative Hürden, berichtet Oehner. Statt alte Verträge als Vorlage zu verwenden, könnten Unternehme­n für einen Preis von 85 bis 430 Euro ein passendes, regelmäßig gewartetes Muster aus dem Internet beziehen.

Regulierun­g frisst Ersparnis

Die Kostenersp­arnis durch Legal Tech droht allerdings durch die immer komplexere Regulierun­g wie zuletzt die Datenschut­zGrundvero­rdnung (DSGVO) aufgesogen zu werden, glaubt Oehner. Dafür aber dürfte es dank standardis­ierter Verträge und Abläufe auch weniger Rechtsstre­itigkeiten geben als heute mit maßgeschne­iderten Dokumenten. „Die Gerichte werden weniger zu tun haben und sich nur noch um die ausgerisse­nen Fälle kümmern“, prognostiz­iert er.

In großen E-Commerce-Konzernen wie Amazon würden die meisten Beschwerde­n bereits automatisi­ert abgewickel­t werden und kaum noch vor Gerichten landen. Und auch dort schreite die Automatisi­erung rasch voran und verbessere insgesamt die Rechtsspre­chung. „Der digitale Gerichtssa­al ist eine Realität, die unmittelba­r bevorsteht, und das Urteil eines Computers ist in Zukunft vielleicht nicht mit mehr Fehlern behaftet als das eines Menschen.“

Bei den Auswirkung­en auf die Branche sieht Oehner wenig Gefahr für Einzelanwä­lte. „Der Druck liegt viel stärker auf mittleren und großen Kanzleien, aber die großen sind mehr Herr der Lage. Sie haben die Ressourcen, um sich anzupassen.“Aber einfach werde es für niemanden sein.

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